Kurzkritik:Lebensfreudig

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Das "Juilliard Quartet" in Nymphenburg

Von Harald Eggebrecht, München

Joseph Haydns op. 33, 5 begann so frisch, aufgedreht und sofort alle packend, dass niemand daran dachte, dass diese Formation, die 1947 gegründet wurde, inzwischen schon einige Besetzungswechsel hinter sich und überraschend gut verkraftet hat. Natürlich hat sich der Klang verändert gegenüber der legendären Erstbesetzung mit Robert Mann als Primarius. Doch Joel Krosnick sitzt nun schon seit vierzig Jahren am Cello, voller Vergnügen und Tatendrang, und prägt vor allem mit seinen tiefen Registern die Klangbasis. Der stets präsente zweite Geiger Ronald Copes ist schon seit 1997 dabei. Hingegen ist der hingebungsvoll bewegliche und animierende Primarius Joseph Lin seit 2011 dazu gestoßen und Roger Tapping, bis 2005 Bratscher im Takács Quartet, hat sich erst seit letzter Saison den "Juilliards" angeschlossen.

Mag sein, dass der Klang insgesamt etwas eingedunkelt wirkt, manchmal sogar rau und unwirsch werden kann, aber Joseph Lin hellt das Ganze imponierend auf, manchmal bis an die Grenze des Exaltierten gehend. Jedenfalls spielen hier ungemein erfahrene Musiker, aber fern jeder Routine. Man spürt die Neugier, den Spaß, miteinander Musik zu machen, nach dem Prinzip: "Enjoy life!"

Also sprühte das Haydn-Quartett vor Witz und gelang Alban Bergs Quartett von 1910 als erregter, sich extrem mit Spannung aufladender Parforceritt durch wild bewegte und vielfarbige Gefühls- und Klanglandschaften. Zum Schluss dann Schuberts "Der Tod und das Mädchen", ebenfalls ein heftiges Gefühlstableau von symphonischem Ausmaß, das alles kennt zwischen ekstatischen Ausbrüchen des Kopfsatzes, tiefer Melancholie des berühmten Andantes, pfeffriger Rhythmik im Scherzo und getriebener, sich stetig befeuernder Raserei im Finale. Die "Juilliards" boten das wahrlich mit einem élan vital, der im Hubertussaal einen Begeisterungssturm auslöste, den die vier großartigen Musiker mit dem langsamen Satz aus Beethovens letztem Quartett op. 135 wunderbar kantabel beruhigten und befriedeten.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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