Kurzkritik:Lebendige Erstfassung

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Ludwig van Beethovens konzertante "Leonore"

Von Klaus Kalchschmid, München

Die "Leonore" genannte Urfas-sung von Ludwig van Beethovens "Fidelio" aus dem Jahr 1805 ist in München nicht unbekannt, denn 2003 fand eine Produktion am Gärtnerplatz-Theater statt; Einspielungen gibt es von 1977 mit Edda Moser und Richard Cassily sowie aus dem Jahr 2005 mit Camilla Nylund und Kurt Streit. Doch eine konzertante Aufführung (mit gekürzten Original-Dialogen) wie die mit dem Rundfunkorchester und dem BR-Chor unter der Leitung von Mario Venzago im Prinzregententheater lässt exakt 111 Jahre nach der Uraufführung noch deutlicher die Qualitäten der Erstfassung hervortreten. Hier gibt es kaum Brüche zwischen dem Singspiel des Beginns und dem hehren Menschheitspathos am Ende. Venzago setzt denn auch auf frische, ungewöhnlich lebendige Tempi und einen "leichten" Klang.

Die Unterschiede sind vielfältig: Im ersten von noch drei Akten singen Marzelline, Jaquino und Rocco ein später gestrichenes Terzett, später entzückt ein zauberhaftes Duett zwischen Marzelline und Leonore/Fidelio mit obligater Geige und obligatem Cello. Ihm folgt Leonores Arie, die in Text und Musik ganz anders, aber nicht weniger anspruchsvoll klingt; auch Florestans Kerker-Monolog wurde 1814 fast komplett neu komponiert. "O namenlose Freude" beginnt 1805 noch mit einem großen Rezitativ als Übergang, und auch das Finale strotzt nicht so sehr vor affirmativem Pathos, nimmt sich dafür mehr Zeit, bevor das "holde Weib" besungen wird.

Christiane Libor (Leonore) und Michael König sind in der Aufführung das "hohe Paar": Sie mit gehaltvoll timbriertem, jugendlich dramatischen Sopran (im April singt Libor dann am Nationaltheater Isolde), dem auch leuchtend hohe H's und C's kaum Mühe bereiten, er mit warmem, jungheldischem Tenor. Christiane Landshamer als Marzelline und Robin Tritschler als Jaquino sind das "niedere Paar". Kay Stiefermann gibt dem Böse-wicht Pizzaro Profil, Scott Wilde ist ein buffonesker Rocco und Jan-Hendrik Rootering ein balsamischer Minister.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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