Kurzkritik:Kunststückchen

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Der Gitarrist Joe Satriani fasziniert im Circus Krone

Von DIRK WAGNER, München

Als die Computerindustrie entdeckte, dass man auch Bildschirmschoner interessanter gestalten könnte, muss irgendwer die ausrangierten Programme dem Gitarristen Joe Satriani überlassen haben. Der lässt sie nun während seines Auftritts im Circus Krone rücklings auf eine dreigeteilte Riesenleinwand projizieren, weswegen dort altbekannte Landschaften, Sternenhimmel und Animationen die wahrscheinlich langweiligsten Visuals seit der Erfindung der Bühnenbeleuchtung liefern. Wenn dann in einem Bild zum Stück "Friends" auch noch eine niedliche weiße Maus auf einem ebenso niedlichen weißen Hundekopf ruht, hätte nicht mehr viel gefehlt und die Diddlmaus hätte ihren ersten Auftritt in einem Rockkonzert gehabt.

Vorteilhafter wäre es zweifellos gewesen, Satriani hätte auf die Leinwand nur seinen Namen geschrieben. So handhabte das jedenfalls der Bluesgitarrist Dan Patlansky im Vorprogramm, der das Publikum schon mit einigen kleinen virtuosen Gitarrenspielereien auf einen Abend einstimmte, an welchem man dem auftretenden Gitarristen genauer auf die Finger blicken würde. Schließlich dürften im Publikum sämtliche von Tocotronic in einem Lied gehassten "Gitarrenhändler dieser Stadt" vereint gewesen sein, um den Menschen zu erleben, der nicht zuletzt auch Kirk Hammett von Metallica oder Steve Vai das Gitarrenspielen beigebracht hatte.

Entsprechend spannend geraten Satrianis Gitarrenkunststücke, die man bewundern kann wie einen gekonnten Eiskunstlauf. Einige Figuren wie das Anreißen der Saiten mit den Zähnen scheinen dabei seit Jimi Hendrix fester Bestandteil einer jeden Gitarrenkunstlauf-Kür zu sein. Wesentlich beachtlicher sind dagegen die faszinierenden Obertöne, die Satrianis Gitarrenspiel umschweben wie das Nordlicht den Polarkreis. Gleich einem Zirkusbesucher könnte man solche Kunststücke also genießen. Doch Satrianis größtes Kunststück ist die Musik selbst, die zum Glück bessere Bilder assoziiert als seine Bildschirmschoner auf der Großleinwand.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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