Kurzkritik:Kluge Kunstform

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Das Schweizer Duo "Ohne Rolf" im Lustspielhaus

Von Oliver Hochkeppel, München

Die meisten Kabarettisten können froh sein, wenn sie einen eigenen Stil entwickeln. Die beiden Schweizer Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg alias Ohne Rolf haben gleich eine eigene (Klein-)Kunstform erfunden, wie sie im Lustspielhaus mit ihrem neuen Programm "Seitenwechsel" wieder demonstrierten. Die geniale Idee besteht im Verzicht auf alles, was üblicherweise zur Bühnenform gehört, stattdessen erzählen sie ihre Geschichten sozusagen mit Untertiteln: Auf Klappleitern stehend hängen sie Papierplakate mit ihrem Dialog auf. Klingt nicht besonders aufregend, entwickelt aber ein famoses Eigenleben, weil es von den beiden mit ebenso klugen wie witzigen Gedanken auf mehreren semantischen Ebenen vorgetragen wird, getimt wie ein Schweizer Uhrwerk und obendrein mit optischen Tricks und mimischen Einlagen garniert.

Alles ist so perfekt durchdacht, dass Ohne Rolf in bald 15 Bühnenjahren erst vier Programme gemacht haben - die sie alle noch spielen, schließlich können sie keinen Text vergessen. "Seitenwechsel", das jüngste, erweitert jetzt ihr Konzept um einige Elemente, vor allem um Mitspieler aus dem Publikum. Ist der Plot doch eine "Bewerbungsveranstaltung", bei der ein Ersatz für Anderhub gefunden werden soll. Nach vorher ausgefüllten Kärtchen werden "Bewerber" - denen über einen "Grafomaten" auch typische Musik zugeordnet wird - auf die Bühne geholt, die (per Tablet instruiert) perfekt in Rollen schlüpfen, vom IT-Spezialisten über die Lehrerin bis zum Hypnotiseur (bei dem die beiden in "Trance" sogar einmal sprechen dürfen).

Wirklich großartig ist, dass die lustigen, von überraschenden Volten beschleunigten Spielchen mit der Bewerbungssituation und menschlichen Stereotypen nach und nach eine Rahmenhandlung konstruieren. Warum Anderhub den "Seitenwechsel" anstrebt, das gewinnt am Ende philosophische Tiefe und nachgerade düstere Konturen. Wie, das soll hier nicht verraten werden, das muss man selbst gesehen haben.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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