Kurzkritik:Kluge Könnerin

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Julia Fischer mit den Dresdner Philharmonikern

Von Egbert Tholl, München

Schon wie Julia Fischer den Konzertmeister der Dresdner Philharmonie begrüßt, ist ein Moment herrlicher Lebensfreude. Gut, das, was sie dann gleich spielen wird, ist auch kein Anlass zu Grübeleien. Aber nichtsdestotrotz umfängt einen viel Frohgemutes, kaum steht sie auf dem Podium in der Philharmonie.

Julia Fischer ist nicht nur eine perfekte Geigerin, sie ist auch sehr klug. Immer wieder hat man während ihres Auftritts mit dem Solopart von Aram Chatschaturians Violinkonzert den Eindruck, diese Musik amüsiere sie zutiefst. Mal formt sie zu dieser, lauscht sie nur dem Orchester, zauberhafte Falten auf die Stirn, mal werden aus diesen Wolken, spielt sie selbst im zweiten Satz ihren Part wie ein Poem, innig und mit einer ungeheuren Konzentration. Man spürt, dass sie vor diesem zweiten Satz am meisten Achtung hat, vor der leichten Fremdheit in der Melodik, vor diesem Sandelholz-artigen Aroma von Orient. Hier findet Chatschaturian zu einem eigenständigen Ton, während in den beiden Ecksätzen das Meiste aus Spätromantik, Volksmusiken und ein paar gängigen Floskeln sowjetischer respektive russischer Komponiertradition zusammengerührt wirkt und man ständig an Ballettmusik und Filmszenen denken muss.

Doch Julia Fischer trotzt der möglichen Einfalt, beginnt mit einem fast mürrischen Ton, der sich mit großer Ernsthaftigkeit vom sie umgebenden Orchesterklang abhebt. Anfangs wirken die klangschön spielenden Dresdner unter Michael Sanderling noch so, als wären sie mit dem nichtelektrifiziertem Wackel-Regionalzug aus ihrer Heimatstadt angereist. Also mürbe. Das gibt sich jedoch schnell. Julia Fischer treibt mit trockenem Furor Chatschaturians rhythmische Spielereien voran, das Orchester erwacht und stürmt ihr beherzt hinterher. So wird es ein mitreißendes Konzerterlebnis, überwölbt von Fischers ureigener Kombination aus selbstverständlicher und alles vermögender Virtuosität gepaart mit Empathie. Was dann folgt, ist ernst und gut, Beethovens Siebte.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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