Kurzkritik:Klischeespielereien

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Abdelkarim ist in der LMU-Aula an der Jugend dran

Von Thomas Becker, München

Einer der besten Gags des Abends kommt aus dem Publikum. Von dort gabelt sich der sehr bühnenbegabte Abdelkarim erst mal ein wenig Spielmasse auf für den Rest des Abends. Man will ja nicht immer das Gleiche erzählen. Aus Reihe eins pickt der Deutsch-Marokkaner mit geschultem Blick folgenden Mix heraus: Iraker, Ungarin, Halb-Amerikanerin und Austria-Türke, dazu ein Trio, das bald auf den Namen Gaza-Streifen hört, noch ein handelsübliches deutsches Pärchen sowie einen Twen, der es okay findet, mit den Eltern in die Sauna zu gehen. Als er aber den jüngsten Gast in der LMU-Aula sucht, meldet sich eine 27-Jährige - herzhaftes Gelächter. In jeder anderen Kleinkunstbühne der Republik würde sie das Durchschnittsalter drastisch senken, aber bei Abdelkarim gehört sie fast zu den Grufties. Keiner im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist so nah an der Jugendkultur wie der 35-Jährige. Selbst 16-Jährige, die sich bisher standhaft weigerten, "doch mal mit ins Kabarett zu gehen", bedanken sich danach für den "naisen Abend" (nais ist Neusprech für nice, also nett).

"Staatsfreund Nummer eins" heißt Abdelkarims Programm, und wie immer geht es ihm um das Zusammenleben der Deutschen mit den Nicht-ganz-so-Deutschen, also um die alltägliche Nicht-Integration. Sein Credo: Toleranz ist ein Schritt in die richtige Richtung - das Ziel ist Akzeptanz. Seit zehn Jahren steht der gebürtige Bielefelder auf der Bühne, war zu Gast bei Mario Barth oder "Heute Show" - ob er ohne die Flüchtlings-Thematik auch so gefragt wäre? Wohl schon, weil er einfach einen wunderbaren Humor hat. Allzu tief muss der gar nicht gehen, aber Höcke und Hitler passen bei ihm schon locker in einen Satz. NSU, Trump und Martin Schulz streift er nur kurz, bleibt lieber bei den Klischeespielereien. Die sind lustig, meist selbst erlebt und oft mit einer Botschaft ("Wenn Flüchtlinge uns was wegnehmen, dann Arbeitslosenplätze") samt Empfehlung versehen: "Besonnen und rational bleiben! Nicht durchdrehen!"

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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