Kurzkritik:Klischeebefreit

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"Der dressierte Mann" in der Komödie im Bayerischen Hof

Von Christiane Lutz, München

Es hätte so schön werden können: ein Fünf-Gänge-Menü, zum Dessert Eischnee auf Vanillegletscher und zur Krönung ein Heiratsantrag. Doch Bastians Angebetete Helen kommt mit schlechten Neuigkeiten nach Hause: Sie soll zur Vorstandsvorsitzenden einer Bank befördert werden - und er nicht. Bastians Laune fällt zusammen wie liegen gelassener Eischnee. Wie schön wäre es, wenn Helen eine normale Frau wäre, die zu ihm aufblickt und auf keinen Fall mehr Geld verdient als er. Studien geben ihm Recht - die meisten Männer stört es nicht, wenn ihre Frau weniger als sie verdient oder weniger gebildet ist.

Es sind aktuelle und nur auf den ersten Blick komische Themen, die in John von Düffels Stück "Der dressierte Mann" nach dem Roman von Esther Vilar verhandelt werden. Es geht um die Emanzipation der arbeitenden Frau im 21. Jahrhundert, ihren Kampf gegen Geschlechterklischees, die ihren Platz noch immer irgendwo unterhalb des Erfolgsniveaus ihres Partners vorsehen. Vordergründig aufgeschlossene Männer verkommen angesichts des beruflichen Aufstiegs ihrer Partnerin zu wimmernden Orientierungslosen, die Angst haben, ihren Mann nicht mehr stehen zu können - auch buchstäblich. Martin Woelffer ist in der Komödie im Bayerischen Hof eine Inszenierung geglückt, die das Dilemma moderner Paare zwar ernst nimmt, dessen Absurdität aber dennoch offenlegt. Michael von Au als Bastian und Anika Pages als Helen geben ein wunderbares, sich hochtourig fetzendes Paar ab, das um Augenhöhe ringt und sich gegen die gut gemeinten Ratschläge der Mütter (Karin Dor und Cordula Trantow) wehrt. Am Ende bleibt Bastian zu Hause und hütet die Kinder, während Helen Karriere macht. Er ist jetzt der dressierte Mann, der seine Frau um Geld für einen neuen Porsche anbettelt. Statt dieser dümmlich-dünnen Schlusspointe, die die Rollenverhältnisse einfach umkehrt, hätte sich Woelffer ruhig etwas Klügeres einfallen lassen können. Aber da ist das Theater wohl auch nicht schlauer als die Gesellschaft.

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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