Kurzkritik:Klassisches Ideal

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Rudolf Buchbinder im Prinzregententheater

Von Rita Argauer, München

Zu seinem 70. Geburtstag, der nun im Dezember ansteht, gibt Rudolf Buchbinder im Prinzregententheater ein Klavier-Solo-Konzert. Und mit einem Epochen-übergreifenden Programm zeigt er dabei, wie sich die Lebens- und Interpretationsweisheit, die er aus seiner intensiven Beschäftigung mit Beethoven heraus erlangte, auf Bach und Schubert auswirkt. Die Antwort ist einfach: Buchbinder hat das klassische Ideal in der aufs höchste ausgewogenen Verbindung von Verstand und Emotion zutiefst verinnerlicht.

Bachs Englische Suite in g-Moll spielt er mit einem durch sanftes Pedal leicht verflossenen Klang. Ohne weiteren Ausdruckszierrat erinnert das mit glockig-spitzem Anschlag an das barocke Cembalo. Buchbinder findet so einen, in bestem Sinne klassischen Mittelweg zwischen gefühlsbetont-romantischer Bach-Interpretation und der trockenen Verweigerungshaltung eines Glenn Gould. Und diese Haltung gelangt, wie auch nicht anders zu erwarten, mit Beethovens anschließender "Appassionata" an einen Höhepunkt. Buchbinder beginnt leise, betont jedoch gewisse Akkorde bis in den Krach hinein, und stellt damit sowohl die architektonische Struktur der Sonate aus, als auch ein diffuses Unwohlsein der Gefühlswelt innerhalb der festen Form. Durch einen solch strukturellen Zugang, kann er in ungeheurer Wucht emotional über Beethoven erzählen, ohne in kitschige Selbstinvolvierung zu verfallen. Kaum ein anderer Interpret schafft es derzeit, eine so permanente Gleichzeitigkeit von Gefühlsausbruch und Geheimnis aufrecht zu erhalten.

Und Schubert, der in seiner letzten Sonate, B-Dur, D 960, von Volkstümlichkeit träumt und von Düsternis heimgesucht wird, wird bei Buchbinder schmerzhaft lebendig wieder zur Lebenslust zurück geführt. Applaus gibt es zu Recht stürmisch in die Schlussakkorde hinein, als Zugabe ein Schubert-Impromptu und eine Gigue von Bach, beides kontrastreich und erzählerisch weiterhin ungemein überzeugend. Ein herrliches Konzert.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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