Kurzkritik:Klarheit und Zurückhaltung

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Herbert Blomstedt hat auch mit 90 Jahren noch eine Mission: Wilhelm Stenhammars Musik. (Foto: Martin U.K. Lengemann)

Herbert Blomstedt dirigiert die BR-Symphoniker

Von Michael Stallknecht, München

"Als ich 85 wurde, dachte ich: jetzt oder nie", sagt Herbert Blomstedt in dem in diesem Jahr erschienenen Interviewbuch "Mission Musik", "jetzt muss ich etwas für Stenhammar tun". Eine wichtige Station auf dieser Mission hat der inzwischen 90 Jahre alte Dirigent nun im Herkulessaal genommen, indem er dort mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Wilhelm Stenhammars zweite Symphonie vorgestellt hat. Der schwedische Komponist (1871-1927) wollte vor allem die Klangschwelgerei der Spätromantik hinter sich lassen, ohne dabei gleich ganz in neue Welten vorzustoßen.

Die Symphonie präsentiert sich denn auch als klassischer Viersätzer, der formal und klanglich sehr durchsichtig daherkommt. Anstelle der romantischen Mischfarbenpalette treten klar wiedererkennbare Orchestergruppen, anstelle schlingernder Linien klare Kontrapunkte. Auf große Bögen muss der Hörer, zumal im langsamen Satz, dennoch nicht verzichten. Doch auch sie kommen mit manchmal fast melancholischer Zurückhaltung daher, wollen den Hörer nicht voreilig überwältigen.

Klarheit und Zurückhaltung wären vielleicht auch die angemessenen Worte, um Blomstedts eigenen Dirigierstil zu charakterisieren. Stenhammars Symphonie hat er Wolfgang Amadeus Mozarts 41. und letzte vorangestellt, die sogenannte Jupiter-Symphonie. Unter anderem von ihr dürfte Stenhammar schließlich die ausgiebigen kontrapunktischen Fugenpassagen im Schlusssatz entlehnt haben. Die BR-Symphoniker spielen Mozart hier mit durchaus großem Ton und eher weichen Artikulationen, um die inzwischen von der historischen Aufführungspraxis bekannten Härten geht es Blomstedt nicht. Er setzt kraftvolle, aber nie scharfe Akzente, nimmt die Rahmensätze festlich, aber ohne Überwältigungsgestus, den langsamen Satz eher flüssig. Wie überhaupt alles bündig daherkommt - und eben: klar. Schön, einen Dirigenten in einem Alter zu erleben, das sich nicht mehr interessant machen muss.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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