Kurzkritik:Klarer Klang

Der senegalesische Gitarrist Hervé Samb in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

Man vergisst gerne, dass Harmonie vor allem ein europäisches Konstrukt ist. Musiken aus Afrika hingegen bauen eher auf melodischen, rhythmischen, strukturellen Mustern auf, die zueinander in Beziehung gesetzt werden. Hervé Samb arbeitet mit diesen Durchlässigkeiten. Der in Paris lebende Senegalese spielt eine Gitarre aus der Werkstatt von Jean-Baptiste Castelluccia, ein Gypsy-Jazz-Instrument mit scharfem, klar konturierendem Stahlsaitenklang. Er setzt sie in der Unterfahrt flirrend phrasierend und arpeggierend, mit schnellen Läufen ohne viel Sustain ein, mehr melodische Percussion als typisch Jazz.

Das kann er auch und stimmt mal ein wenig "Giant Steps" als Hardbop-Nachweis an. Doch darum geht es ihm nicht vorrangig. Sambs Vorbilder sind Instrumente wie die Kora, der er ein Solo-Stück widmet. Er gestaltet in Netzen, nicht in Schichten, eher zirkulär als linear. Eine Widmung an seine Mutter beispielsweise, für die er zur bundlosen E-Gitarre greift, wirkt wie ein Rundgesang, motivisch offen und zugleich wiederkehrend. Mit dem Perkussionisten Alioune Seck und dem Schlagzeuger Ndiaw Macodou Ndiaye hat die Musik ein kraftvoll rhythmisches Fundament, Pathe Jassis Bass wirkt frei im Flow, und die Linien des Sängers Alpha Dieng folgen den Mustern der Griot-Traditionen. Samb weiß, wie Jazz klingt, er verehrt die stilistischen Väter der Bewegung. Aber er ist auch den Strukturen der senegalischen Kultur verbunden und macht sie zum Ausgangspunkt, nicht zur Dekoration seiner Vorstellungen.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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