Kurzkritik:Klarer erster Preis

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ARD-Wettbewerb: Im Finale überzeugt die US-Amerikanerin Emalie Savoy

Von Klaus Kalchschmid, München

"Singen kommt von Sagen" verkündete der Juryvorsitzende Robert Holl vor der Bekanntgabe der Preise im Prinzregententheater am Ende des Finales im Fach Gesang beim ARD-Wettbewerb. Er zitierte damit Wagner ("Singen ist die leidenschaftlichste Form des Sprechens") und rief erst einmal Suzanne Fischer zu sich und den anderen sechs Juroren auf die Bühne, denn sie habe zwar keinen Preis bekommen, aber am Finale teilzunehmen sei schon eine hohe Auszeichnung.

Die Britin hatte mit Mozarts Zaide, Bergs Lulu und Donizettis Norina ("Don Pasquale") die Bandbreite ihres Fachs, hoher lyrischer Sopran, ausgereizt, vermochte aber doch nicht ganz an das Spektrum und die Qualität des Singens heranzureichen, wie es Marion Lebegue zuvor demonstriert hatte. Die Mezzosopranistin hatte verzweifelte Frauen in Opern aus drei Jahrhunderten ausgewählt: zuerst die todessüchtige Klage der verlassenen Dido Purcells, dann Brittens soeben vergewaltigte Lucretia und schließlich Massenets von ihren Gefühlen zerrissene und um Werther bangende Charlotte: Drei Charaktere in unterschiedlichen musikalische Stilistiken musste und konnte die Französin prägnant singend darstellen. Sie bekam dafür den dritten und den Preis für die beste Interpretation des Auftragswerks von Chaya Czernowin im Semifinale.

Dann wurde es spannend, denn Sooyeon Lee aus Südkorea hatte mit ihrem lyrischen Koloratursopran ein ungeheuer beseeltes "Caro nome" der Gilda aus Verdis "Rigoletto" und eine gestochen scharfe Königin der Nacht ("O zittre nicht, mein lieber Sohn") gesungen, allerdings Händels "Rejoice greatly" in nicht gerade akzentfreiem Englisch dargeboten. Dafür bekam sie den zweiten Preis. Emalie Savoy aber, die aufs Ganze und die Grenzen ihrer bereits erstaunlich jugendlich-dramatischen Stimme gegangen war, erhielt völlig zu Recht den ersten Preis. Phänomenal die Unmittelbarkeit, mit der sie ungewöhnlich aggressiv die Wut der Gräfin im Rezitativ ihrer Arie aus dem dritten Akt von Mozarts "Figaro" über die Untreue des Gatten herausgeschleudert hatte und dann das "Dove sono" fast erschöpft und rastlos sang, bevor sie am Ende wieder einen großen Ausbruch wagte. Zuvor hatte die US-Amerikanerin Rusalkas "Lied an den Mond" mit einer großen Bandbreite an Gefühlen und leuchtenden Spitzentönen gesungen und ließ Szene und Arie der Agathe ("Wie nahte mir der Schlummer") aus Webers "Freischütz" folgen: ein Wechselbad der Gefühle einer Frau, die den Geliebten herbeisehnt, bange erwartet, für ihn betet und schließlich euphorisch begrüßt. Das alles gestaltete Savoy nicht nur in makellosem Deutsch, sondern ließ den Zuhörer bei jeder Phrase mitfiebern und am Ende beinahe Tränen des Glückes weinen.

Einen großen Anteil an diesem wunderbaren Finale hatte das großartige Münchner Rundfunkorchester, das von Purcell bis Berg minutenschnell die Jahrhunderte wechseln konnte und dank Darrell Ang hellwach reagierte und plastisch ausgeformt spielte.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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