In seinem Buch "Pop: Ein Panorama der Gegenwart" beschreibt Jens Balzer die Musik von Sunn O als "Viszeralkrach". Als musikalischen Lärm, der tief hinein bis in die Eingeweide wirkt. Dass ihre Musik "stark auf das Körperliche" geht, das hat Sunn-O-Gitarrist Stephen O'Malley auch vor Kurzem erst in einem Interview bestätigt. Und dass sich der Erfolg des harten Drone-Doom-Metal-Sounds seiner Band möglicherweise mit der Suche nach realen Erfahrungen im Internetzeitalter erklärt. Beim Konzert zum aktuellen Album "Kannon" der 1998 gegründeten amerikanischen Band im ausverkauften Hansa 39 ist zunächst einmal die Hitze eine höchst reale Erfahrung. Und so hat man nach dem überzeugenden Eröffnungs-Set der kanadischen Noiserocker Big Brave erst einmal damit zu kämpfen, dass man in einer 40 Grad warmen Nebelsuppe steht. Der dichte Nebel ist bei Sunn-O-Konzerten obligatorisch. Genauso wie die dunklen Mönchskutten, die die vier Musiker auf der Bühne tragen.
Der Beginn, ein liturgisch anmutender Singsang des aktuellen Sängers Attila Csihar mit tiefknarzender Stimme, die durch den Nebel dringt und sich zeitweise zum Obertongesang ausweitet, gerät äußerst zwingend, übt eine betörende Faszination aus. Genauso das Ende, das Csihar in einer Art glänzenden Ritterrüstung und mit Zackenkrone zelebriert. Dazwischen wird mit langsamst angeschlagenen Gitarren-Akkorden, teilweise durch Keyboard und Posaune verstärkt, ein vibrierendes, weitgehend amorphes Klangmonster geschaffen.
Es wird knapp zwei Stunden lang durch Verzerrung und Rückkopplung genährt und durch den höllisch heißen Raum getrieben. Auch das hat faszinierende Momente, aber die Hitze gewinnt immer wieder Oberhand, sodass man die ersehnte kathartische Klangerfahrung regelrecht verschwitzt. Am Ende fühlt man sich selbst wie eine amorphe, glibberige Masse, weichgedröhnt und aufgeschwemmt, und hofft darauf, dass einen eine kalte Dusche wieder in Form gießt.