Kurzkritik:Keine Rettung

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Nik Bärtsch statt Vijay Iyer im Prinzregententheater

Von Ralf Dombrowski, München

Vijay Iyer sorgt für Schlagzeilen, zumindest in seiner Nische. Als er vergangene Woche mit seinem Trio in der Hamburger Elbphilharmonie spielte, kamen einige Zuschauer mit der anspruchsvollen Musik des Pianisten so wenig zurecht, dass sie den Saal verließen und die Hamburger Morgenpost einen "peinlichen Vorfall" im Hause konstatieren konnte. Im Prinzregententheater hingegen erschien der Künstler erst gar nicht auf die Bühne, diesmal allerdings, weil er wegen gestrichener Flüge nicht rechtzeitig aus Danzig abreisen konnte. So war es der zweiten Band der Jazz Nights überlassen, den Abend zu retten, was ihr nur mit Abstrichen gelang. Und das hatte mehrere Gründe.

Zum einen hat die Musik von Nik Bärtsch ihre Grenzen. Denn der Zürcher Pianist konzentriert sich vor allem auf ein Gestaltungsmodell, das er seit bald zwei Jahrzehnten konsequent bearbeitet. Seine Welt ist die der Schichtung, des Übereinanderlegens rhythmischer und melodisch repetitiver Motive, die er verschiebt, variiert, dynamisch absetzt. Es ist ein Baukasten der Klangfiguren, die jedem Mitspieler des Quartetts Ronin abwechselnd Bedeutung zuweisen und zu so genannten Modulen führen, die Bärtsch auch im Prinzregententheater entwickelte. Dieses minimalistische Prinzip aber verhindert die Loslösung von bordunhaften Strukturen und vermeidet harmonische Vielfalt zugunsten einer Art konstruktivistischer, zeitgenössischer Polyphonie, was nach einer guten Stunde Konzert zu Energiedefiziten bei der musikalischen Wirkung führte.

Das hing außerdem damit zusammen, dass Kaspar Rasts Schlagzeug theatralisch hölzern ohne den nötigen, die ekstatischen Momente fördernden Druck gemischt war. Und Björn Meyer, der als Bassist für den erkrankten Thomy Jordi eingesprungen war, hielt sich mit solistischen Alleingängen zurück, obwohl das in anderen Kontexten seine Welt ist. Vijay Iyer fehlte daher gleich mehrfach: als Künstler, als Kontrapunkt und als ästhetisches Korrektiv.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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