Kurzkritik:Jugendfrisches Monument

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"I due Foscari" mit Rundfunkorchester und Leo Nucci

Von Egbert Tholl, München

Der erste Choreinsatz ist fabelhaft. Was man beim frühen Verdi kaum erwarten würde: Der Chor der Senatoren formiert sich hier erst langsam als reine Massen, erst einmal besteht er aus einer Gruppe von Individuen, die so lange ihre - freilich wohl zusammenklingende - Eigenart behaupten, bis dann doch der Chorsatz in den Sechsachteltakt einbiegt, der nicht nur diese Oper Verdis dominiert. Klanglich beeindruckend bleibt der Chor bis zuletzt, wie überhaupt diese Aufführung von Verdis "I due Foscari" mit dem BR-Chor und dem Münchner Rundfunkorchester unter Ivan Repušić im Prinzregententheater ein ziemlich grandioses Erlebnis ist.

Wofür es keinerlei Szenerie braucht. Francesco Maria Piaves Libretto ist ein echtes Meisterwerk fehlender Dramatik: Zu Beginn heißt es, Jacopo Foscari werde verbannt wegen eines nicht näher spezifizierten Mordes, am Ende wird er verbannt, stirbt vor Gram. Sein Vater Francesco, der Doge von Venedig, kann ihm nicht helfen, weil er ans Gesetz gebunden ist, und stirbt vor Gram. Ein Intrigant freut sich über seine Rache, wofür, das weiß kein Mensch. Übrig bleibt Jacopos Gattin Lucrezia.

Alles nebensächlich, denn in bemerkenswerter Dichte hat Verdi hier tolle Musik erfunden. Und für die hat die Aufführung die allerbesten Solisten gefunden. Der 76-jährige Leo Nucci singt den Francesco, eine imposante Erscheinung. Er verfügt über eine durch nichts zu erschütternde Technik, er spielt, er leidet, er triumphiert aber stets mit der Kraft seiner immer noch frischen Stimme. Der Mann wäre ganz für sich allein jede Aufführung wert, aber da gibt es ja noch Guanqun Yu. Die singt die Lucrezia mit flackernder Inbrunst und fühlt sich auf dem Podium pudelwohl. Kommt sie mal kurz in einer Szene nicht vor, ohne dass die Zeit einen Ab- und Auftritt lohnte, dreht sie sich einfach um. Und ist nicht da. Freilich: Mit Kinderspiel hat ihr Vortrag rein gar nichts zu tun. Ivan Magrì singt den Jacopo, und als er das Blech aus seiner Stimme eliminiert hat, blüht er herrlich auf.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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