Kurzkritik:Irrwitzige Wut

Kabarettist Gernot Hassknecht im Münchner Lustspielhaus

Von CinDy Riechau, München

Bei Gernot Hassknecht ist der Name Programm. Am Dienstagabend wütete der Kabarettist mit der kleinen Statur und der randlosen Brille, bekannt durch seine Auftritte in der "Heute Show", im Lustspielhaus. Bei seinem Live-Programm "Jetzt wird's persönlich" deckt er wie gewohnt gesellschaftliche Missstände auf. Wenn er das Versagen von Politikern und den Einfluss der Wirtschaft thematisiert, ist seine cholerische Kompetenz sehr überzeugend. Den von der Bundesregierung "liebevoll frisierten" Armutsbericht empfiehlt er etwa allen, die wie er "gerne wütend einschlafen". Es fällt leicht, sich zusammen mit ihm darüber zu echauffieren, dass die Zahl von 600 000 Kinder "die unter erheblichen materiellen Entbehrungen" leiden, zur Bezeichnung "wenige" verharmlost wird. Seine übersteigerte Wut verleiht den oft traurigen gesellschaftlichen Wahrheiten eine treffende Komik. Auch Inhalte seines Programms überspitzt er gekonnt und lässt in einem Nachdreh der "Schwarzwaldklinik" einen lediglich leicht erkrankten Kassenpatienten sterben, um zu zeigen, wie irrwitzig es ist, dass sich selbst das Gesundheitswesen wirtschaftlichen Zwängen unterwerfen muss.

Weniger unterhaltsam sind dagegen die Sticheleien gegen seine Ehefrau und die Berichte aus früheren Zeiten, in den Frauen noch das Bier geholt haben. Diese Passagen erinnern nicht nur auf unangenehme Weise an die platten Witze Mario Barths. Sie bedienen auch das Stereotyp des alten weißen Mannes, von dem sich der überzeugte Wutbürger zuvor in einer Tirade über Trump noch ausdrücklich distanziert hat. Da verkommt die Figur von Hans-Joachim Heist dann leider zum bloßen Wortführer des Stammtischs.

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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