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Starke Songs: Agnes Obel in der Theaterfabrik

Von Christiane Lutz, München

Hin und wieder kommt es vor, dass der Höhepunkt eines Konzerts schon vor seinem Beginn stattfindet. Beim Vorprogramm nämlich. Das liegt - so fair muss man sein - natürlich daran, dass die Erwartung an den Künstler im Vorprogramm sehr niedrig, an den Hauptact hingegen sehr hoch ist. Im Vorprogramm von Agnes Obel spielte in der Theaterfabrik die irische Musikerin Lisa Hannigan. Die ist durch herzzerreißende Duette mit Damien Rice berühmt geworden, hat sich mit ihm überworfen und ist seitdem allein unterwegs. 30 Minuten lang steht sie allein mit Gitarre auf der Bühne und singt mit so zurückgenommener Intensität, dass das Publikum entzückt zuhört.

Dann kommt Agnes Obel, die Musik so schwer, so dunkel, so schön wie eine verschneite Winternacht. Die dänische Künstlerin lebt in Berlin und veröffentlicht seit 2010 alle paar Jahre zuverlässig zum Herbstbeginn ein neues Album, so auch kürzlich "Citizen of Glass". Obels Kompositionen sind zerbrechlich wirkende Konstrukte aus Klavier- und Streicherklängen, auf denen ihre Stimme schwebt wie von fern her. Stücke, die sich dramatisch steigern und zu wuchtigen Klanggebilden anschwellen. Moderne Kammermusik. Das ist heikel, wenn es live gespielt wird. Keine schräge Harmonie, keine verstimmte Saite, die nicht sofort hörbar wäre. Es mag an den vergeblichen Mühen der Tontechniker liegen, den Sound ordentlich zu mischen, oder an der Theaterfabrik, die nicht geeignet ist für fragile Musik.

Oder es liegt an der aufkeimenden Erkältung, dass Agnes Obel nicht die musikalische Präzision erreicht, zu der sie und ihre drei hervorragenden Musikerinnen sonst in der Lage sind. Sie spielt starke Songs wie "The Curse" und "The Stone" mit einer Ukulele, oder "Golden Green", das sie abbricht, weil ihr die Tontechnik einen Streich spielt. "Dieser Tag fühlt sich an wie eine Woche", sagt sie entschuldigend und kämpft sich tapfer durch ihr Programm. Dann verschwindet sie rasch. Punkt für Lisa Hannigan.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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