Einstürzende Neubauten, Electric Light Orchestra und eben Les Négresses Vertes - in diesen Tagen bekommt man Bands zu sehen, die man lange nicht mehr auf dem Zettel hatte. Bei den französischen Weltmusik-Veteranen war der 30. Jahrestag ihres Hit-Albums "Mlah" der Anlass, die seit 2002 ruhende Truppe wieder zusammenzutrommeln und auf Tour zu schicken. Was den perfekten letzten Akt der Jubiläumsfeierlichkeiten des Muffatwerks abgab: Nostalgie war zwar im Spiel, aber mit einem trotzigen Blick nach vorn.
Die anfangs vielköpfige Straßenmusiker-Kombo um den Akkordeonisten Mathieu "Matias" Canavese, den Gitarristen Stéfane Mellino, den Trompeter Michel Ochowiak und den Bassisten Jean-Marie Paulus gab der Ende der Achzigerjahre boomenden Weltmusik (die zuvor unter anderem von französischen Kollegen wie Bratsch "erfunden" worden war) einen neuen Dreh: In ihrem wilden Mix aus Polka, Walzer, Flamenco, Chanson, Ska, Rai oder Cumbia schwang die Wut und Trauer des französischen Proletariats der Banlieue und die Protest-Attitüde des britischen Punk mit. Das ließ Les Négresses Vertes selbst den frühen Drogentod ihres Frontmannes Noel "Helno" Rota überleben, machte sie in ihrer Heimat zum Pflichtprogramm (statistisch gesehen kaufte jeder sechste erwachsene Franzose "Mlah") und zur Lieblingsband britischer Remixer wie deutscher Intellektueller. Und schützte sie nun im Ampere sogar vor dem Zahn der Zeit und falscher Sentimentalität.
Denn natürlich hat sich beim Verwirbeln diverser Volks- und Weltmusiken schon wegen des Zugriffs durch den Jazz unglaublich viel getan, nicht zuletzt spieltechnisch. Doch wenn die leicht angegrauten Herren plus Dame (Iza Mellino an Perkussion) zu ihrem Hit "Zobi la Mouche", zum Pogo-"Danse des négresses vertes" oder zum opulenten Maghreb-Pop von "Orane" wie die jungen Hunde herumtoben, dann hat sich der Zauber des Einfachen, die Kraft des Unmittelbaren erstaunlich gut bewahrt.