Kurzkritik:Immer echt

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Stephan Zinners neues Programm "Relativ simpel"

Von Thomas Becker, München

Ist das Kabarett? Geht's um Politik, Moral oder wenigstens Sozialkritik? Nicht wirklich. Musikkabarett? Schließlich spielt der Mann Gitarre, singt und tanzt sogar ein bissl dazu. Die Jury des Deutschen Kabarettpreises wusste auch nicht so recht, wo sie diesen bayerischen Bluesbären hinpacken soll. Da sie aber auch wusste, dass sie an dem Ereignis namens Stephan Zinner nicht vorbei kommt, drückte sie ihm halt den sogenannten Sonderpreis auf. Auch gut, wird sich der Zinner gedacht haben, und wie man sein Bühnentun letztlich bezeichnet, wird ihm ziemlich wurscht sein. Der Zinner ist nämlich vor allem eins: eine coole Sau. Einer aus dem prallen Leben, der selbiges verdammt noch mal auch genießen will, gern auch mit Publikum und hinterher ein paar kühlen Getränken. Wohlsein!

Seit mehr als 20 Jahren steht der Frühvierziger auf der Bühne, zunächst am Theater (sieben Jahre Kammerspiele), später auch im Kino (einige Rosenmüller-Filme sowie zuletzt "Schweinskopf al dente") und TV (mehrere Krimis) - und seit gut zehn Jahren auf Kleinkunstbühnen, als Unterhalter im besten Sinn. "Relativ simpel" ist sein viertes Solo-Programm und womöglich auch die Maxime, nach der er durchs Leben geht: "Alle mal wieder schön runterkommen, bitte!" Oder wie die Jüngeren sagen: "Chill mal dein Leben, Alter!" Zinner ist keine Gag-Maschine, kein Pointenzwirbler. Er lässt vielmehr teilhaben: an seinem Leben als Familienvater, Sechzig-Fan und Anti-Heimwerker. Plaudert über Sex und Semmelknödel, über das Lebensgefühl-Eis "Dolomiti", vegane Shrimps, Darts, Rollkoffer, Deutsch-Rap und andere Auswüchse - also doch Sozialkritik? Ja mei. Und der Zinner liebt die Musik: Blues, Rock, Cajun, spielt Slide-Gitarre, kurz mal John Lee Hookers "Boom Boom", klingt mal wie der mittlere Ambros, mal wie ein oberbayerischer Paolo Conte, aber immer echt. Ergo: "Relativ simpel" ist einfach gut.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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