Kurzkritik:Herrlich komisch

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Daniel Barenboim und das Münchener Kammerorchester

Von Klaus Kalchschmid, München

Ach wie wunderbar ist diese musikalische Selbstironie: Joseph Haydn hat die Gattung der Symphonie erst begründet, aber zugleich macht er sich in seinem Spätwerk immer wieder darüber lustig. Man kann es schwer in Worte fassen, aber beim Hören klingen diese Volten im Orchester einfach herrlich komisch; etwa wenn plötzlich in der Nr. 101 ("Die Uhr") das Geschehen ins exaltiert Dramatische kippt und wieder zurück, Soloinstrumente sich in den Vordergrund drängen, oder wenn Instrumentation und Melodik in Schieflage geraten und die Metrik aus dem Tritt kommt.

Auch dem Münchener Kammerorchester, das diese beiden Haydn-Symphonien unter John Storgårds im Prinzregententheater in kleiner Besetzung spielte, war anzuhören, wie viel Spaß ihm diese Musik macht, sei es das Ticken der Uhr im "Andante" der D-Dur-Symphonie oder die plötzliche, sich schnell auflösende Fuge in deren Finale. Dazwischen spielte - eingesprungen für den erkrankten Renaud Capuçon - Michael Barenboim den Solopart in der Neufassung von György Ligetis Violinkonzert. Auch dies ein Werk, das mit Gattungskonventionen bricht und die Solovioline anfangs oft in den Hintergrund treten oder als Primus inter pares agieren lässt. Umso schöner die zarten lyrisch-liedhaften Momente zu Beginn und am Übergang vom zweiten zum dritten Satz. Da konnte man gar an Alban Berg denken, zumindest bei der Süße, mit der Barenboim mit der "verstimmten" Bratsche spielte. Wild aufrauschend gelang die rapide Steigerung dieses "Intermezzos" auf engstem Raum, hervorragend auch das komplexe, dramatisch zugespitzte "Agitato molto" des Finales.

Den größten Zauber des Abends verströmten jedoch "3 unvollendete Portraits" für Streichorchester von Fabio Nieder. Am Rande der Unhörbarkeit komponiert, nehmen sie Bezug auf Luciano Berio, die slowenische Freundin der Familie ("Sarin obraz") und eine tartarische Volksweise. Letzteres war eine sparsam und sehr frei notierte Skizze, die ihre zarte Leuchtkraft unendlich hätte fortsetzen können.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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