Kurzkritik:Halsbrecherisch

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Das wilde Comeback der Punkband "At The Drive In"

Von Dirk Wagner, München

Obwohl die texanische Punkband At The Drive In in der Tonhalle ihr einziges Hallenkonzert in Europa gibt - sonst spielt die Gruppe aus "Hell Paso" nur verkürzte Sets auf Festivals -, ist die Halle nur gut gefüllt. Und das, obwohl die Band mit einem neuen Studioalbum nach einer fast 17-jährigen Pause tourt. Dabei sind ein paar Fans eigens aus Liverpool angereist, um das Quasi-Comeback der Texaner in voller Länge zu erleben. So nah wie hier käme man der Band nirgends, schwärmen sie, als sie vor Konzertbeginn in einer gemütlichen dritten Zuschauerreihe stehen.

Dann startet die Band mit "Arcarsenal" aus dem Jahr 2000. Kaum bellt der Sänger Cedric Bixler-Zavala die ersten Songzeilen ins Mikrofon, fliegen Bierbecher in die Luft - und Zuschauer womöglich hinterher. Immerhin wird vor der Bühne so ausgelassen gepogt, dass solches Bild von fliegenden Zuschauern zumindest möglich erscheint. Dabei bietet die Musik mit ihren schrägen, bisweilen gar dissonanten Gitarrenläufen und ihren halsbrecherischen Rhythmen genügend spannende Herausforderungen, um ihr auch nur aufmerksam zu lauschen. Bis hin zur markant hohen Stimme eines Sängers, der seine Lungen vorab mit Helium getränkt zu haben scheint. Welch ein wahnwitziges Konzert, das in der Zugabe "One Armed Scissor" aus dem Jahr 2000 schließlich überschäumt wie Sekt aus einer wild durchgeschüttelten Flasche. Die Zuschauer übernehmen den Chorgesang und schließen so euphorisiert einen Abend, der drei Stunden zuvor mit der Vorgruppe Japandroids begonnen hatte.

Wobei das Wort Vorgruppe für dieses Gitarre-Schlagzeug-Duo aus Kanada deutlich zu kurz greift. Immerhin hatte diese Band ausreichend eigene Fans gezogen, die nun in München endlich nachholten, was ihnen im Frühjahr verwehrt blieb. Damals tauchte die bayerische Landeshauptstadt in der Deutschlandtournee zum neuen Album "Near To The Wild Heart Life" nämlich gar nicht erst auf. Endlich konnte man jetzt also in München deren Garagenrock feiern, der, aufs Wesentliche reduziert, auch mal an die frühen Werke von The Replacements oder an Tom Petty erinnert. Nur eben wild flimmernd wie das Stroboskop-Gewitter, in dem die Band beinahe bis zur Erblindung rockte.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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