Kurzkritik:Gut strukturiert

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Julia Kociuban bei Klassik vor Acht im Herkulessaal

Von Barbara Doll, München

Phantasterei, Technik, Abgrund und Jubel, Struktur: Mit dem Programm, das Julia Kociuban bei Klassik vor Acht im Herkulessaal spielt, lässt sich allerhand zeigen. Mozarts B-Dur-Sonate KV 281, Schumanns Kreisleriana, Chopins Rondo à la Mazurka in F-Dur und seine h-Moll-Klaviersonate. Die 1992 in Krakau geborene Pianistin zeigt auch viel, doch der Eindruck bleibt ambivalent. Wonach man beim Zuhören beständig sucht, ist Kociubans persönlicher Blick in den emotionalen Kern der Stücke.

Ihre Stärke ist Strukturgebung, Phrasierung, das wird in Mozarts B-Dur-Sonate sofort klar. Sie weiß die Stimmen zu gliedern, ihr Anschlag ist klar und konkret. Die innigen Melodien des Andante amoroso phrasiert sie organisch und bringt so Struktur und Gefühl zusammen. Im Rondo-Finale trifft sie den spielerisch-heiteren Ton. Keine Frage: Ein solcher Mozart ist wunderbar, und das klassische Ebenmaß liegt ihr.

Danach ändert sich ihre Haltung jedoch nicht radikal, obwohl das nächste Stück radikal anders ist, nämlich romantisch versponnen: Schumanns Kreisleriana. Den schwelgerischen, phantasierenden Ton in der zweiten Nummer fasst Kociuban sehr hübsch ein. In der Wiederkehr nach den Intermezzi lässt sie das Hauptthema in seliger Erhabenheit schweben. Sie hebt die Begleitung dezent hervor und macht so die atmosphärische Verwandlung deutlich. Für die ganze Interpretation gilt: Die Struktur ist transparent, die Artikulation präzis, die Dynamik ausbalanciert. Alles ist wohlgeformt und auch schlüssig. Aber Kociuban lotet die für Schumann so entscheidenden Extreme kaum aus - die hauchzarten, zerbrechlichen Stimmungen und die dunklen, wahnsinnsnahen Abgründe.

Auch bei Chopin klingt vieles nach goldener Mitte, doch der flirrige Zauberton ist Kociuban offenbar näher als Schumanns Geisterreich der Töne. Brillant verbindet sie im Rondo à la Mazurka elegante Sprünge, Glanz und filigranen Zierrat. In der h-Moll-Sonate zeigt sie sich manuell sehr stark, ohne auf Knalleffekte zu setzen. Doch wieder vermisst man die unmittelbare Emotion.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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