Kurzkritik:Gscherte Lieder

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Josef Brustmann in der Lach- und Schieß

Von Thomas becker, München

Das Schlimme am neuen Programm von Josef Brustmann ist, dass es irgendwann aufhört. Dass er nicht einfach weiter singt und erzählt, von der Putzfrau, von Sokrates, Sartre und Sinatra, von Glyphosat, Entschleunigung und Flüchtlingsströmen, vom Luaderviech und den Katzen im Miezhaus. Stundenlang könnte man ihm zuhören, auch wenn man den herrlich kracherten Dialekt selbst nach mehr als 30 Jahren Saupreissntums noch immer nicht immer versteht. Weil man das halt nicht von Kindesbeinen an kennt - und wie prägend diese frühe Lebensphase sein kann, das erlebt man an einem Abend mit dem Mann, der schon mit sieben in kurzen Lederhosen auf der Bühne stand, den Deutschen Kabarettpreis aber erst 54 Jahre später gewinnen sollte.

Brustmann ist das achte von neun Kindern. Die Eltern waren nach dem Krieg aus Mähren vertrieben worden, zehn Jahre lang lebten alle zusammen auf 20 Quadratmetern. Der Großvater meinte: Man muss dem Leben auch mal in den Höllenschlund schauen. Aber: Es wurde immer gesungen, mehrstimmig. Da saßen sie also: Gänse rupfend, Federn entkielend und dabei singend. Gesang als Lebensmittel - er hat Brustmann nie verlassen.

Auch sein siebtes Soloprogramm "Das Leben ist kurz - kauf die roten Schuh'" ist ohne Gesang undenkbar. Die Bühne in der Lach- und Schießgesellschaft ist voller Instrumente, und es dauert genau bis zum ersten Song, da pfeift das Publikum schon mit, total schräg, aber wie egal ist das denn? Die Zither, dieser latent vom Aussterben bedrohte Seelenstreichler, bildet den roten Faden, hält Tom Waits, AC/DC sowie Simon & Garfunkel zusammen, und wer diesen gefühligen Klang nicht mag, der ist aus Stein. Hinzu kommt die gewinnende Stimme Brustmanns, seine bescheidene Art, die gscherten Lieder und die starken Texte, die von Haltung zeugen. In Wackersdorf spürte er Todesangst, schrieb daraufhin seine ersten Lieder: Protestlieder. "Ein gutes Mittel gegen Ohnmacht", sagt er. Aber wem so viel gegeben ist, auch wenn er nichts hatte, dem kann das Leben eh nichts anhaben.

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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