Kurzkritik:Gruppengroove

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Weltmusik mit "Bokanté" und "Ngoni Ba" im Ampere

Von Claus Lochbihler, München

"Vielleicht sind wir einfach nur eine Blues-Band", sinniert Michael League, Gitarrist und Kopf von Bokanté am Ende der Münchenpremiere dieser neuen Band: eines Blues, der vielfach um die Welt gereist sei. So wie bei diesem wunderbaren Doppelkonzert im Ampere. Zuerst gibt es eine Stunde lang den afrikanischen Ursprungs-Blues aus Mali von Bassekou Kouyaté und seiner Band Ngoni Ba. Der groß gewachsene Mann im langen Gewand lässt seine Ngoni, eine Laute mit dem Korpus eines Miniaturschiffs und einem langen, dürren Hals, bluesen, zirpen und rocken. Mal verharrt er in einem Riff, mal klingt er wie ein Gitarrist aus dem Mississippi-Delta, bevor er sich in einen aberwitzig arabesken Lauf stürzt. Und über allem die Stimme seiner Frau Amy Sacko, die sich im Lauf eines Songs in immer betörendere Höhen schraubt.

Ganz anders das Weltmusik-Puzzle von Bokanté: Diese neue, neunköpfige Supergroup pflegt keine Tradition. Sie setzt und groovt etwas ganz Neues zusammen, aus alten Zutaten, aber in der musikalischen Summe neu, unerhört und weltumspannend. Eine Art Kreol der Weltmusik des 21. Jahrhunderts. Bluesig, aber vor allem metamorphotisch: Was karibisch beginnt, verwandelt sich für ein paar Takte zu Afro-Beat, dann in harten Funk, Jazz-Rock, ein paar Takte Stevie Wonder und am Ende wieder Blues.

Diese Vielfalt hat zum einen mit der Herkunft der Musiker zu tun: Die Sängerin Malika Tirolien stammt aus Guadeloupe, die drei Perkussionisten spielen sonst mit Paul Simon, Yo Yo-Ma oder der schwedischen Band Väsen. Dazu drei Gitarren-Nerds, die so klingen als ob sie vor einer Steely-Dan-Session in die Arme von Snarky Puppy geflohen wären. In der Mitte, nicht nur der Bühne, sondern auch des musikalischen Geschehens: Roosevelt Collier an der Pedal-Steel-Gitarre, ein Meister des Blues, der ein bisschen so klingt wie wenn Hendrix sich die Zither elektrisch vorgeknöpft hätte. Sie alle musizieren hochvirtuos. Aber im Grunde gilt ihr Können nicht dem Solo. Sondern dem Gruppengroove, den sie Schicht um Schicht aufbauen und ausdehnen. Beim nächsten Mal wird er vermutlich so groß sein, dass er nicht mehr ins Ampere passt.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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