Kurzkritik:Grimassenschneider

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Die Komische Oper "Der eingebildete Sokrates"

Von Klaus Kalchschmid, München

Da bildet einer sich ein, Sokrates sein zu können, obwohl ihm alles dafür fehlt wie Klugheit, Weisheit oder Sanftmut, und drangsaliert damit seine Umgebung. Giovanni Paisiello macht daraus 1775 eine etwas alberne Komödie, aber adelt sie an vielen Stellen mit schönster Musik, die manchmal von Mozart stammen könnte. "Socrate immaginario" heißt sie, oder "Der eingebildete Sokrates" in der freien deutschen Fassung von Peter Brenner. Leider unterbietet sie das Niveau einer schlechten Soap Opera von heute, etwa so: "Wie gut Gymnastik tut, und die Musik ist gut!"

Letzteres stimmt, aber dass in der Reaktorhalle tatsächlich im Sportdress mit schwarzen Gymnastikbällen singend Körperertüchtigung betrieben wird, ist eine Entgleisung der Regie von Rosamund Gilmore, die auf Teufel komm raus komisch sein will. Das hat zwar Tempo, ist voller Slapstick und Bewegung in bestem Timing, ermüdet aber letztendlich mit dem Dauergrimassieren aller Beteiligten.

Dabei sind das vielversprechende junge Sänger Theaterakademie August Everding wie Irakli Atanelishvili (Don Tammaro alias Sokrates, der zweite) und Natalya Boeva als seine Gattin Donna Rosa, mit der als Xanthippe nicht zu spaßen ist. Oder der schlaksige Calandrino (Bavo Orroi), die aufmüpfige Lauretta (Réka Kristof), die herrlich girlyhaft überdrehte Cilla (Koloratursopranistin Pauline Rinvet) und der knackig prackelige Bassbuffo Carl Rumstadt (Meister Antonio); dazwischen schmachtet Jaeil Kim tenoral als Ippolito.

Verena Hemmerlein hat als Bühne verschiebbare Paravents aus modern verfremdeten blaugeblümten Tapeten entworfen, aus deren Muster auch die Kostüme stammen. Dem kleinen Orchester Concierto München gelingt unter Leitung von Maria Fitzgerald immer wieder - trotz kleiner Einschränkungen in Präzision und dynamischem Feinschliff - lebendiges Musiktheater (ein Sonderlob der Oboistin Claire Sirjacobs), wäre da nicht das pralle, penetrante Dauergrinsen.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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