Kurzkritik:Grandios

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Das Lach- und Schieß-Ensemble knüpft an das brillante Debüt an

Von Oliver Hochkeppel, München

Die fantastischen Vier des Kabaretts sind wieder da. Vor zwei Jahren sorgten Caroline Ebner, Norbert Bürger, Frank Smilgies und Sebastian Rüger als neues Hausensemble der Lach- und Schießgesellschaft für ein überraschendes Revival dieser schon tot geglaubten Spielart, indem sie sich von der Tagespolitik samt ewigem Politiker-Bashing lösten und dafür strukturelle gesellschaftliche Entwicklungen mit allen möglichen Darstellungsformen aufgriffen. Daran knüpften sie nun bei der Premiere des zweiten Programms "Exitenzen" unter der Regie von Sven Kemmler nahtlos an.

Nahtlos, weil vieles vom ersten Mal vertraut ist: Die musikalischen Einlagen mit einem wilden Ritt von der Minimal Music über Walzer bis zum Rock. Die sprachspielerische Klammer, die das Leitmotiv ein- und ausführt: Um die aktuellen Fliehkräfte geht es diesmal, die an Europa zerren, aber auch an jedem einzelnen von uns. Dabei gelingen dem Quartett etliche Glanznummern: Wenn sie als Wahlredner die üblichen Allgemeinplätze sprachlich verdrehen ("Breiheit der Fresse") - bis auf den Vertreter der Rechten, der Klartext spricht: eine präzise Allegorie auf den jüngsten Vorwahlkampf. Oder wenn Sebastian Rüger als Angstbürger auf dem Flügel kauert und mit seiner abstrusen Furcht die anderen bis hin zum Social-Media-Sturm ansteckt. Oder eine Sesamstraßen-Parodie. Oder die Brexit-Steigung, bei der erst alle anderen EU-Staaten austreten, dann auch Baden-Württemberg aus dem Bund, Stuttgart aus Baden-Württemberg und der neue Bahnhof aus der Innenstadt.

Für die Überwindung solch zerstörerischer Fliehkräfte steht das Ensemble selbst. Kommt doch jeder aus einer anderen künstlerischen Ecke, um sich hier grandios zu ergänzen und sich sichtlich über den Beitrag und die Brillanz des anderen zu freuen.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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