Kurzkritik:Godots Schatten

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Gerd Lohmeyer und Rüdiger Hack als "Zwei alte Mimen"

Von Petra Hallmayer, München

Es hätte einer ihrer letzten Triumphe werden sollen. Aber nun ist "der Beckett geplatzt". Mit rotweißer Fliege sitzt Golo Buche (Gerd Lohmeyer) in der leeren Kantine vor seinem Bierglas, als ihm Biwi Ahorn (Rüdiger Hacker) die Nachricht verkündet. Eigentlich gibt es keinen Grund mehr zu bleiben. Doch Biwi besteht darauf, dass sie auf einen obskuren Cozco warten müssen. Der Schattenbruder Godots spukt beharrlich durch das Stück "Zwei alte Mimen warten in der Kantine auf. . . ?" im Metropoltheater. Mit dem haben sich Lohmeyer und Hacker, die noch nie zusammen auf der Bühne standen, einen Wunsch erfüllt und uns ein Geschenk gemacht.

Sie beschwören Rollen, die sie nicht bekommen haben, entfachen ein Zitatfeuerwerk von Richard III. über Hamlet, Faust und Torquato Tasso bis zu Murphy, fordern einander auf, loszulassen, fluchen und beschimpfen sich. Sie granteln herrlich als zwei Mimen, die ausgedient haben, während Herr Hirnzwiebel auf die Bühne gerufen wird. Mit dem Zorn des Alters, das der Gegenwart entfremdet, aber auch den Blick schärft für deren Narreteien, redet sich Biwi in Rage. In schwarzer Lederjacke umhertigernd steigert er sich in wütende Tiraden wider das "postpostmoderne Theater", die Selbstherrlichkeit ignoranter Regisseure, bei denen Schauspieler nicht mehr spielen dürfen, derweil Golo darüber nachdenkt, ob sie sich nicht lieber gleich aufhängen sollten.

Unter Hackers Regie werfen sie sich immer wieder köstliche Pointen zu in der witzig wehmütigen, rundum liebenswerten Theaterhommage, die sie gern noch etwas mehr ins Absurde hätten treiben können. Beide dürfen gleichermaßen glänzen in dem für sie maßgeschneiderten Text eines gewissen Elmar Golem, dessen Identität man nur erahnen kann. Wie Lohmeyer schlitzäugig verschmitzt lächelnd Bosheiten ausspuckt, in sich versinkt und verloren versonnen ins Nichts blickt, ist hinreißend. Hacker trumpft als ein fantastischer Erzähler auf, fällt auf die Knie und in Ohnmacht, während er schildert, wie ihm der Seher Teiresias mit Dackel erschienen ist. Übermütige Komik wechselt sich ab mit leiser Melancholie in einer Inszenierung, durch die das unerbittlich näher rückende Ende geistert, hinter dem es keinen Anfang mehr gibt. Doch Abschied nehmen will man von diesen wunderbaren Schauspielern noch lange nicht.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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