Kurzkritik:Gemischte Gefühle

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Konstantin Scherbakov und seine Beethoven-Interpretationen

Von Rita Argauer, München

So zurückhaltend Konstantin Scherbakov in seinem Auftreten in der Allerheiligen Hofkirche wirkt, sein Klavierspiel ist gierig und raumfassend. Ein dementsprechend jagendes Programm hat er sich dafür ausgedacht; dramaturgisch sinnvoll, aber interpretationstechnisch auch für einen so eigenen und erfahrenen Künstler kaum zu bewältigen.

Es dreht sich um Beethoven. Dessen Leidenschaft und gleichzeitige Zurückhaltung ist ja sowieso nicht das Einfachste, was die Findung eines pianistischen Ausdrucks betrifft. Scherbakov führt nun von den sechs Bagatellen (op. 126, Beethovens letztes Werk für Klavier), über die Variationen über das "Eroica"-Thema (op. 35) eben zu dieser Eroica-Sinfonie, Beethovens dritter, transkribiert für Klavier solo von Franz Liszt. Die Bagatellen gelingen Scherbakov wunderbar. Er bietet Interpretationslinien, die auf harte Dissonanzen hinführen und weniger auf deren Auflösung. Ebenso gelingt es Scherbakov aber, seinen Ausdruck durch die verschiedenen Epochen gleißen zu lassen. So vermag er die Musik wild und oft neu zu beleuchten: Bachsche Strenge, romantische Süße, jazzig-groovend oder voller destruktiver Wucht in donnernden Bässen.

Doch dann kommt die Ein-Mann-Sinfonie. In dieser Hyper-Sonate verliert Scherbakov den feinen Ausdruckssinn. Technisch ist sein Spiel zwar ein faszinierender Kraftakt, und die Konzertdramaturgie überwältigt, wenn im Finale das berühmte Thema, über das zuvor variiert wurde, wieder erklingt. Doch diese Musik, die für alle Klangfarben eines Orchesters geschrieben wurde, trägt in der Länge nicht auf einem einzigen Instrument, ein generelles Problem bei Transkriptionen. Die musikalischen Sensationen verblassen, weil sie auf dem Klavier immer ähnlich klingen. Es donnert von Einsatz zu Einsatz und besteht dennoch nicht den Vergleich mit dem Original. Und diese Uneigenständigkeit kann selbst ein so eigensinniger Pianist wie Konstantin Scherbakov nicht ganz ausgleichen.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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