Kurzkritik:Gegurrte Lyrik

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Die Nashville-Band "Lambchop" in den Kammerspielen

Von Claus Lochbihler, München

Früher, da stapelten sich bei Lambchop die Gitarrenklänge. Da spielten bis zu fünf Gitarristen leiser als Bands mit nur einer Gitarre. Und in der Mitte dieses Indie-Country-Soul-Orchesters: Kurt Wagners Stimme, die sich zwischen Zärtlichkeit und Lakonie durch die Songs raunte. In der neuen Verpuppung der Band aus Nashville stapeln sich nicht Gitarrenklänge, sondern Wagners elektronisch verfremdete und vervielfachte Stimmen. Dazu dreht der Sänger beim Auftritt in den Kammerspielen mit der linken Hand an einem Sampling-Gerät, das vor ihm auf einem Barhocker thront. Mit der rechten hält er das Mikrofon, mit dem er sein Stimm-Verfremdungs-Gerät gesanglich füttert. Dazu windet er die Knie und den Körper, als ob er mit dem Knöpfchendrehen auch seine ansonsten stoische Körper-Motorik verfremden könnte.

Stimmlich klingt das mal nach Elektro-Doo-Wop, dann wieder nach modernem Rhythm'n'Blues, der auch Pate stand für das, was Wagner für "Flotus" vorschwebte: Ein Lambchop-Album, ganz oder überwiegend aus Stimme, produziert wie ein Frank-Ocean- oder Hip-Hop-Album. Je stärker und experimenteller Wagner seine Stimme zu einem vielstimmigen Chor verfremdet, desto mehr wird sie zu einem Instrument. Die sonst so zurückhaltende Band geht in der Mitte des Konzerts geradezu Lambchop-untypisch ab. Andy Stack am Schlagzeug und den Beats, Matt Swanson am E-Bass und Tony Crow am Flügel lassen es wie eine Jazz-Funk-Combo krachen, was einen angenehmen Kontrast zu den Zeitlupen-Tempi der Songs zuvor und danach bildet. Beeindruckend, wie nahtlos die Band vorproduzierte Beats, Live-Sampling und instrumentales Musizieren zu einem organischen Ganzen verbindet.

Eine Gitarre hat Kurt Wagner auch dabei. Aber zum Einsatz kommt sie nur, wenn er und die Band in den alten, akustischen Modus schalten, etwa für "My Blue Wave" oder "Poor Bastard". Kurt Wagner gurrt seine Lyrics, begleitet sich minimalistisch auf der Gitarre und schlägt einen Pathos des achtsam Leisen an, dem sich die Band unterwirft. Dann greift Andy Stack am Schlagzeug wieder zum Besen, Swanson zupft einen mehr spür- als hörbaren Bass, und Tony Crow umklimpert Kurt Wagners Stimme.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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