Kurzkritik:Furios entspannt

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"Deep Purple" rocken sich in der Olympiahalle durch ihr Spätwerk

Von Andreas Pernpeintner, München

Auch für einen (zu) spät geborenen Fan alter Rockmusik gab es Gewissheiten: Einmal im Jahr kommen Motörhead nach München, einmal Deep Purpl e. Lemmy starb, und Motörhead fehlten Kopf und Motör. Und Deep Purple haben jetzt den Abschied verkündet. Doch noch aus einem anderen Grund ist dieses Konzert in der Olympiahalle ungewohnt; das geht los, sobald die herzhafte Vorband Monster Truck die Bühne verlassen hat: Nicht mit "Highway Star" wie seit 45 Jahren eröffnen Deep Purple die Show, "Time For Bedlam" aus dem neuen Album "Infinite" ist's.

Nun kann man nicht behaupten, dass alle aktuellen Songs direkt ins Blut gingen. Sie berücksichtigen, dass Ian Gillan nicht mehr die erregendsten Schreie des Rockuniversums abfeuert, sie zeigen, dass Gitarrist Steve Morse und Organist Don Airey auf Roger Glovers Bassfundament gerne opulenter musizieren als einst ihre Vorgänger Ritchie Blackmore und Jon Lord, die aus kleinsten Keimzellen Prägnanz schufen. Und doch ist es ein erfrischendes Statement, diese Tour nicht nur mit Häppchen aus "Infinite" und der Vorgängerscheibe "Now what?!" zu garnieren, sondern zu einem beachtlichen Teil mit neuem Material zu bestreiten. Purple-Musiker sagten immer wieder, Deep Purple sei eine "working band". Logisch also, dass eine solche Band zwar gerne die alten Hits zelebriert (auch in diesem Konzert), aber nicht zur reinen Coverband ihrer selbst erstarrt.

Musikhandwerk war ja bei Deep Purple immer das Entscheidende. Sie waren nie so überhöht, nie so okkult, nie so entrückt wie die Gefährten von einst ( Led Zeppelin, Black Sabbath), sondern ein Musikerensemble. Wer in der Rockmusik auch an kammermusikalisch klassischen Qualitäten seine Freude hatte, an Präzision, Interaktion, frappierender Instrumentenbeherrschung, der musste Deep Purple mögen. Erlebt man nun, wie furios entspannt sich Ian Paice durch sein Spätwerk trommelt, hat sich daran nichts geändert. Hoffentlich dauert "The Long Goodbye" ganz lange.

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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