Kurzkritik:Freies Gespräch

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Alison Balsom und das Kammerorchester Basel

Von MICHAEL STALLKNECHT, München

Wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt tritt Alison Balsom am Ende von Arthur Honeggers Zweiter Symphonie aus der Seitentür des Prinzregententheaters, um den Klang ihrer Trompete mit dem des Kammerorchesters Basel zu verbinden. Es ist ein utopischer Moment im Werk des Schweizer Komponisten aus dem Jahr 1941, mit dem sich hier ein strahlender Choral Bahn bricht durch ein Meer der Trauer. Dass Balsom mit ihrem kernigen Ton und ihrem direkten Zugriff ein Orchester mühelos überstrahlen kann, hört man danach auch in Johann Nepomuk Hummels Trompetenkonzert aus dem Jahr 1803. Den langsamen Satz singt sie berückend aus, bevor man sich im dritten Satz schmetternder Trompetenseligkeit hingeben darf. Und zur Zugabe beim Komponisten Oskar Lindberg noch in ein altes schwedisches Volkslied hineinträumen.

Dennoch bleibt am Ende erstaunlicherweise das Basler Kammerorchester der eigentliche, vom Publikum gefeierte Star des Abends. Man spielt im Stehen, die Bläser auf historischen Instrumenten, vor allem aber ohne Dirigent. Damit erreichen die Schweizer nicht nur die für die historische Aufführungspraxis charakteristische Vitalität und Dramatik, sondern zu Beginn bei Honegger auch eine bestechende emotionale Tiefe und Geschlossenheit der Interpretation. Man staunt, wie flexibel dieses Ensemble Tempi und Lautstärken miteinander dynamisiert. Nicht einmal in Franz Schuberts Dritter Symphonie nach der Pause oder bei der Zugabe, der Ouvertüre zu Rossinis "Italienerin in Algier", muss Konzertmeisterin Yuki Kasai als Ersatzdirigentin fungieren, wie man das sonst von dirigentenlosen Ensembles kennt. Sondern aus einem zauberhaft leichten Gesamtklang heraus überlassen sich die Musiker wechselseitig die Führung, als befänden sie sich miteinander in einem großen freien Dialog. In München, gewohnt an die symphonischen Großapparate und ihre Pultstars, wohnt einem solchen Musizieren tatsächlich ein utopisches Moment inne.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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