Kurzkritik:Freier Atem

Die Country-Legende Lucinda Williams im Krone

Von DIRK WAGNER

Nichts wird für diejenigen, die es erlebt haben, die Wirkung der Popgitarren eines Johnny Marr überbieten können, der in den Achtzigerjahren in der britischen Indie-Band The Smiths spielte. Es ist deshalb auch nachvollziehbar, dass Dirk Darmstaedter, der Ende der Achtzigerjahre mit seiner Band The Jeremy Days selbst ein paar Tage Popstar war, diese Popgitarren nun im Münchner Circus Krone besingt. Nicht nachvollziehbar ist dagegen Darmstaedters Argumentation, dass seit der Auflösung seiner Band nur wenige Zuschauer zu seinen Konzerten kommen, weil sich niemand seinen Namen merken könne. Dabei könnte es doch auch sein, dass die Zuschauer wegbleiben, weil sie sich den Namen nur zu gut gemerkt haben.

Dann allerdings hätte der Veranstalter gut daran getan, der US-amerikanischen Country-Legende Lucinda Williams eine zugkräftigere Vorgruppe voranzustellen. Denn obwohl Williams in der Fachwelt mit Preisen überschüttet wird und vom Time Magazine sogar mal als "America's best songwriter" gepriesen wurde, lockt die zum ersten Mal in München auftretende Sängerin verhältnismäßig wenige Zuschauer an. Und das, obwohl die seit den Siebzigerjahren aktive Musikerin, die schon mit Größen wie Elvis Costello oder Willie Nelson gemeinsam auf der Bühne stand, derzeit ihre besten Alben veröffentlicht. Das neue "Ghosts of Highway 20" zum Beispiel, dessen Titelstück sie live ganz alleine auf ihrer akustischen Westerngitarre begleitet. Sonst genügt als weiterer Mitspieler der Gitarrist Stuart Mathis, dessen E-Gitarre den Rockgehalt ihrer Stücke nur skizziert, während sie ihn zwei Tage zuvor noch auf einem Festival in Spanien mit ganzer Band ausleben durfte.

Williams' zweieinhalbstündiger Auftritt im Circus Krone ist demnach der erste ohne Band, die der Singer-Songwriterin selbst aber mehr zu fehlen scheint als dem Publikum, das ihre Songs nun in einer ursprünglicheren Form zu hören bekommt. Gleich einem Rotwein, der erst im bauchigen Glas geschwenkt seine Blume entfaltet, genießen die Songs hier ihren Freiraum und saugen den Atem in sich auf, der jede Textzeile mitreißend in spannende Filmszenen eines auditiven Roadmovies verwandelt.

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