Kurzkritik:Etwas pauschal

Die Philharmoniker unter Gergiev mit Tschaikowsky

Von Klaus Kalchschmid, München

Zum Einstand als Chef der Münchner Philharmoniker dirigierte Valery Gergiev vor zwei Jahren Peter Tschaikowskys "Symphonie pathétique" im Gasteig. Es war ein großartiges Konzert zusammen mit "Don Juan" von Richard Strauss und fünf Stücken aus Sergej Prokofjews "Romeo und Julia"-Ballett. Diesmal gingen eine effektvoll ausgereizte Ouvertüre zu Wagners "Tannhäuser" und leider etwas pauschal musizierte Haydn-Variationen von Johannes Brahms voraus.

Aber auch bei Tschaikowsky wollte sich der Zauber von damals nicht im gleichen Maße einstellen. Denn was seinerzeit wie auf der Stuhlkante musiziert wurde, klang jetzt oft wie mit breitem Pinsel gemalt. Vieles war dynamisch längst nicht mehr so ausgefeilt, sondern oftmals im Forte-Bereich und darüber angesiedelt. Am ehesten konnten Gergiev und die Philharmoniker im Kopfsatz an damals anknüpfen: Wieder ließ die langsame Einleitung des Kopfsatzes die Katastrophen ahnen, die später Musik werden sollten. Danach reizte Gergiev die heftigen Kontraste dieses Satzes bis zum Anschlag aus, und die Philharmoniker mussten schauen, wie sie bei oft gehörigem Tempo die kleinen Noten alle recht- und gleichzeitig unterbrachten. Da konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, dass vielleicht doch nicht genügend Probenzeit zur Verfügung stand. Das Scherzo besaß eine so affirmativ schreiende Brillanz, dass es Beifall gab, der nur mit dem unmittelbaren Einsatz des Finales gestoppt werden konnte. Nach dem Verdämmern in den tiefen Streichern wollte Gergiev die Stille länger halten, aber eine Frau im Publikum bekam einen lautstarken Niesanfall, und ein paar Zuhörer erzwangen ihr Recht des ersten Beifalls.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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