Kurzkritik:Erschöpfend

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"Girls of Golden West" im Hoch X

Von Klaus Kalchschmid, München

Was für ein Marathon: Während Puccinis Oper "La Fanciulla del West", die mit Mara Zampieri, Placido Domingo und Juan Pons auf Italienisch ungekürzt vom Band erklingt, tritt Lulu Obermayer im Hoch X zweieinhalb Stunden dank Laufband wie in einem Hamsterrad auf der Stelle und kommt keinen Schritt weiter, wo doch die Saloon-Besitzerin Minnie am Ende der Oper mit ihrem Geliebten in die Prärie reitet.

Doch während Obermayer zenbuddhistische Konzentration beweist, bombardiert sie uns auf der (Kino-)Leinwand hinter ihr mit kurzen Schnipseln aus 33 Western. Sie wurden allesamt am Fuße der Sierra Madre gedreht; fast immer stehen Frauen im Mittelpunkt, die Angriffe jeder Art von Männern abweisen müssen. Es gibt auch traumhaft schöne Landschaften zu sehen oder Marianne Sägebrecht, wie sie eingeschnürt in ein schwarzes Kostüm ihren Koffer durch die heiße Wüste zieht; auch Lulu Obermayer ist zwischendurch bei den "Girls of Golden West" dabei. Stets fehlt der Ton, aber manches ist so raffiniert geschnitten, dass es lippensynchron zur gerade erklingenden Passage der Oper gerät. Dabei gibt es kaum Berührungspunkte, allenfalls weint die Protagonistin im Film mal, wenn da grade in der Oper davon die Rede ist.

Leider erschöpft sich das beabsichtigte Assoziations- und Beziehungsgeflecht nach einer Viertelstunde. Als Liebhaber der selten, aber bald endlich wieder am Nationaltheater gespielten Oper bliebe man nach dem ersten Akt am liebsten im Foyer sitzen, um die dort viel bessere Tonqualität zu genießen. Aber dann beschließt man doch, noch vor Ende des Abends, bei dem Whiskey im Plastikbecher und freies Kommen und Gehen erlaubt war, zu Hause auf DVD die Oper, Cecil B. DeMilles Verfilmung von 1915 oder einen der Western zu sehen, auf die diese Performance gerade große Lust gemacht hat.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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