Kurzkritik:Erfrischend

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Gergely Madaras dirigiert Münchener Kammerorchester

Von Rita Argauer, München

Das Konzert des Münchener Kammerorchesters ist auch eine Studie über Zugänglichkeit. Diese Programmkonzeption steht ihm gut. Denn das Ensemble unter der Leitung von Gergely Madaras ist in seiner Dosierungsfähigkeit ausgesprochen kunstfertig. Es kann Sinnlichkeit und Kühle wunderbar abstimmen, Wärme und Klarheit, Kopf und Geist. Dass die entsprechende Dosis nicht so zum Stück gesetzt wird, wie der Zuhörer es erwarten würde, macht den Abend im Prinzregententheater noch interessanter.

Mit der Violinistin Carolin Widmann spielt es etwa Dieter Ammanns "Unbalanced Instability", ein Konzertsatz für Violine und Kammerorchester, entstanden zwischen 2011 und 2013. Den Anfang bestreitet Widmann über eine lange Zeit hinweg nur im Pizzicato, während zwei mächtig ausgestattete Percussionisten in die - gezupft fast dünn klingende - Solostimme hinein krachen. Zwischen diesen Eruptionen erscheint kurz der Glitzer von Filmmusik. Und durch die Streicher wogen Töne, die fast wie romantisches Harfen-Glissando klingen. Es ist eine einzige Unausgeglichenheit, doch die detaillierte Ausarbeitung, mit der die Musiker und die Solistin die Zwischenräume zwischen den Impulsen füllen, lassen in kurzen warmen Momenten die Musik schillern.

Auch Benjamin Brittens frühe Hommage an seinen Lehrer Frank Bridge lebt durch Details. Die zehn Variationen spielen gewitzt verschiedene Stile der Musikgeschichte durch. Manchmal nur im rhythmischen Gestus über Dynamik-Schwankungen und Tonverschiebungen im "Wiener Walzer". Oder der nicht mehr marschieren wollende "Trauermarsch", dessen Bässe rhythmisch gekappt sind. In der "Aria Italiana" röhrt es indessen inbrünstig.

Madaras dirigiert Brittens Variationen mit so großer Lust an diesen diversen musikalischen Ausdrucksformen, dass sie der zugänglichste Teil des Abends ist. Nominiert dafür war aber auch Schuberts 3. Symphonie, mit der das Konzert endet. All deren Eingängigkeit kontrolliert Madaras. Die klassische Form sticht im Kopfsatz hervor, einzig zu Beginn des Finales bricht romantisches Drängen heraus. Ein wunderbarer Abend, der ein ohnehin erfrischendes Programm in besonders ungewöhnlichem Licht zeigt.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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