Kurzkritik:Emotional und leise

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Alice Sara Ott mit Debussy, Chopins und Satie im Prinzregententheater

Von Andreas Pernpeintner, München

Es sei für sie der "Anfang einer neuen Reise", sagt Alice Sara Ott zu ihrem Münchner Publikum. Das Prinzregententheater ist prall gefüllt. Wer auch damals, am 15. Januar, dagewesen sei, fragt Ott, und Hunderte von Händen schnellen in die Höhe. Zum ersten Mal, erzählt die Pianistin, habe sie am 15. Januar ein Konzert abbrechen müssen, an dem Tag, an dem sie erfuhr, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Dies ist nun der Nachholtermin. Das Programm ist reduziert, das Motto ist geblieben: Nightfall. Werke, die die Stunden, in denen sich Tag und Nacht begegnen, einfangen. Ihre Atmosphäre. Ihr Licht. Gemäß Beleuchtung im Prinzregententheater ist es dunkel violett. Das ist stimmungsvoll, und nur eine schelmische Sekunde lang gerät man beim Gedanken an die englische Übersetzung dieser Farbe auf musikalische Abwege.

Alice Sara Otts Programm ist sehr leise: Debussys Suite bergamasque und Rêverie, Gnossienne Nr. 1 und 3 sowie Gymnopédie Nr. 1 von Erik Satie, die Chopin-Nocturnes op. 9 Nr. 1 und 2 und die herrliche g-Moll-Ballade. Das ist keine Abkehr von Otts früherer Schwerpunktsetzung, man denke an ihr Programm mit Grieg-Stücken, aber doch eine andere Welt als jene, die sie in jungen Jahren erschloss, wenn sie mit frappierender Selbstverständlichkeit durch die Liszt'schen Études d'exécution transcendante rauschte.

Die Debussy-Suite spielt Ott zauberhaft. Lyrisch, mit leisestem Pianissimo, aber doch metrisch so pointiert, dass die Farben nie verschwimmen und "Clair de lune" als Zentralereignis der Suite gut kontrastiert wird. Auch für die Satie-Stücke ist das die ideale Herangehensweise. Obwohl klanglich sanft, kreist diese Musik bei Ott in klarem Puls; die Klänge schweben ätherisch, werden aber nie diffus. Von den melodisch stringenteren Nocturnes eingeführt, ist Chopins g-Moll-Ballade in ihrer Mischung aus melodischer Süße und großer Virtuosität dann ein wunderbares Finale dieses emotionalen Konzerts, das Ott noch rasch mit Chopins kleinem a-Moll-Walzer beschließt.

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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