Kurzkritik:Einsamer Gaukler

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Finale der Tanzwerkstatt Europa: Milan Tomásiks "Solo 2016"

Von Sabine Leucht, München

Er kann mit Menschen. Und ein großer Tänzer ist er auch. Wenn nur ein kleiner Teil von Milan Tomásiks "Solo 2016" in einem Varieté oder Nouveau Cirque auftauchte, wäre das ein tolles Ding. Man könnte den Schluss nehmen, wo der Slowake unvermittelt die Schwermut abschüttelt und wie ein entfesselter Gaukler umherhüpft. Oder besser gleich die Szene, an deren Ende er eines der Seile erklimmt, an denen sonst die kleinen weißen Kugeln schweben, die entfernt an die ungleich größeren Himmelskörper in Tomásiks älterem Solo "Off-Beat" erinnern.

Zu Beginn des Stückes, das das Gründungsmitglied des Kollektivs Les Slovaks zum Abschluss der Tanzwerkstatt Europa in die Muffathalle bringt, bewegt sich eine dieser Kugeln langsam durch einen malerischen Schatten auf den Tänzer-Körper zu, der von ebendiesem Schatten in Streifen geschnitten wird. Eine wehmütige Frauenstimme und tiefe Streicher tragen Sehnsucht in die Szene. Die Einsamkeit ist schon da: Arme ausgebreitet, eine Bewegungsfolge in alle Bühnenrichtungen hin absolvierend, mit lange gehaltenen Posen, aber doch immer wieder so, als wäre der Tänzer von ihrem Kommen überrascht.

Die Musiken wechseln so schnell wie die Tanzstile und die Assoziationsfelder, die Tomásiks meist stark phrasierten, expressiven Bewegungen erschließen. Die feierlich-sakrale Anmutung aber zieht sich durch. Viel Orgel, Walzertakte, hie und da eine Kirchenglocke. Dazu sieht es mal aus, als würde gejagt oder etwas buchstäblich übers Knie gebrochen. Den Tänzer überkommt ein Zittern, dann tauscht er ein Lächeln mit dem Publikum, mit dem man sich gemeint fühlt. Entziehen können sich diesem extrem auf Wirkung hin kalkulierten tänzerischen und emotionalen Quer-Beet-Abend die wenigsten. Der Applaus ist enorm, der Kitschfaktor auch. Er kommt hier aus einer folkloristisch-zirzensischen Tradition, die auf Zugänglichkeit und Eskapismus setzt - aber entspannter wirkt, wenn man auf der Bühne nicht alleine ist.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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