Kurzkritik:Düstere Mystik

Manfred Honeck und die Philharmoniker

Von Rita Argauer, München

Mit Messen, Oratorien und anderer geistlicher Musik ist das im Konzertsaal immer so eine Sache. Denn wie gehen die Musiker damit um, etwas als primär reinen Kunstgenuss aufzuführen, das ursprünglich aus einem Glauben an etwas Höheres heraus und zur Glaubensbestärkung der Hörenden geschaffen wurde? Manfred Honeck wählt da mit den Münchner Philharmonikern, dem Philharmonischen Chor München sowie den vier Solisten Hanna-Elisabeth Müller, Stefanie Irányi, Dovlet Nurgeldiyev und Christof Fischesser einen zurückhaltenden Weg.

Ganz leise, ja beinahe durscheinend beginnt Antonín Dvořáks mächtige Marienverehrung "Stabat Mater" in der Philharmonie. Schlank mischen sich die Holzbläser durcheinander, trotz der Pauken. Als unheilvolle raunende Masse schmiegt sich der Chor schimmernd in diese Musik, nicht dramatisch, eher flüsternd betroffen und bewegend. Diese Strategie führt Honeck fort. Mit Ausnahme einiger überraschend gellender Forte-Ausbrüche vermeidet er sämtliche Dramatik konsequent. Die Solisten scheinen davon Anfangs ein wenig überfordert, unentschlossen im Ausdruck erklingt Tenor Dovlet Nurgeldiyevs erster Einsatz. Erst später, wenn sich die Musik vom raunenden chromatischen Dunkel zu hoffnungsfrohem Dur gewandelt hat, traut er sich an einen theatraleren Ausdruck. Hanna-Elisabeth Müller trifft mit ihrem klaren und dennoch weichen Sopran Honecks Stimmungspanorama besser, doch insgesamt gerät die erste Hälfte etwas zäh.

Denn wenn sich die düstere Mystik ab und an nicht halten kann, fehlt es der Musik durch die Drama-Vermeidung an Verbindlichkeit. Doch der dramaturgische Weg Honecks - vom Dunkel zum Strahlen - löst sich im schön transparenten und gleichsam mitnehmenden Schlussteil beinahe apotheotisch ein.

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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