Die diesjährige Reihe der "Paradisi Gloria"-Konzerte stellt die Idee einer immerwährenden Erneuerung der Kirche in den Mittelpunkt. Da ist nichts naheliegender, als ihre wohl dramatischste Erneuerung durch Luther in den Blick zu nehmen - zumal zum Reformationsjubiläum. Deshalb standen im ersten Konzert in der Herz-Jesu-Kirche fünf Gesänge nach Texten aus Tischreden Luthers von Günter Neubert auf dem Programm. Der sächsische Komponist, Jahrgang 1936, aus der sozialkritischen Schule von Paul Dessau kommend, betitelt sie "Von menschlichen Schwächen" und setzt Luthers bekannt drastische Diktion über Geiz, Stolz, das Saufen und die Uneinigkeit in einem ebenso drastischen Musikidiom um.
Das war ein beherzt krasser Gegensatz zur elegischen Spätromantik der "Préludes religieux et profanes" des sensiblen Tschechen Jaromir Weinberger, mit dem das Konzert begann. Aber es gab interessante Bläsereruptionen, beißende Klangkarikaturen und die ausdrucksstarke Stimme des Baritons Peter Schöne. Auch vor dem kapitalen Schlusswerk von Hans Krása "Die Erde des Herrn" setzte die "Musica adventus" des Letten Pēteris Vasks einen noblen Kontrapunkt. Mit baltischer Musikalität, wenig prozesshafter Entwicklungslogik, dafür tonal gebundenen Klangpattern von expressiver Dichte und magischer Leuchtkraft tönten im zauberischen "Adagio" Anklänge an Gustav Mahler auf.
Die vier Orchesterlieder von Hans Krása, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde, erwiesen sich als hoch aufgeladenes Fortissimo-Drama über bekenntnisstarke Psalmenzitate. Hier überwältigten die geballten Kräfte des Münchner Rundfunkorchesters unter der bewährten Führung von Ulf Schirmer, der volle Via-Nova-Chor (bestens präpariert von Sebastian Adelhardt) und die vier Solisten zwischen Ariensolo und Tuttipathos: Susanne Bernhard (Sopran) und Wallis Giunta (Mezzo) als vokale Klangkronen, Tobias Haaks (Tenor) und Peter Schöne (Bariton) als theatralische Barden.