Kurzkritik:Der Dauerläufer

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"Die Toten Hosen" in der Olympiahalle

Von Stefan Sommer, München

"Schinken!", die Menge fordert Aufschnitt. Mit den folgenden Zeilen des Tote Hosen-Klassikers "Eisgekühlter Bommerlunder" können Campino und die Olympiahalle sogar gemeinsam klären, dass ein Brot mit Schinken und Ei belegt sein muss. Von dieser Albernheit höchst erfreut, kann der feixende Frontmann der Band aus Düsseldorf wieder zu seiner Paradedisziplin übergehen: Rennen. Hin und her. Von links nach rechts. Heimlicher Star des Abends ist nämlich eigentlich sein Fitnesstrainer. Andreas Frege, alias Campino ist zwar - laut seinem Pass - 55 Jahre alt, bewegt sich am Dienstagabend aber, als könnte er bei der nächsten Sommerolympiade an den Start gehen.

1983 - vor 34 Jahren also - veröffentlichen Die Toten Hosen ihr Debüt-Album "Opel-Gang". Britischen Punk-Superstars wie den Sex Pistols oder The Clash nacheifernd, avancierte Campino mit bunten Haaren, wilder Bühnenakrobatik und Rocker-Rüpeleien damals zum Staatsfeind und Bürgerschreck einer ziemlich verstaubten Bonner Republik. Seit Mitte der Achtzigerjahre spiegelt sich deutsche Zeitgeschichte in ihrer Bandhistorie: Drei Tage nach dem Mauerfall spielte die Truppe beim "Konzert für Berlin" - es war das erste und größte deutsch-deutsche Rockkonzert. Im Dezember 1992 veröffentlichten sie als Reaktion auf die ausländerfeindlichen Anschläge in Rostock-Lichtenhagen die Single "Sascha . . . ein aufrechter Deutscher" und bezogen Stellung gegen rechts. Und letztendlich 2013, mehr als 20 Jahre später, schwofte sogar die CDU-Spitze nach der Wiederwahl Angela Merkels im Konrad-Adenauer-Haus zu "Tage wie diese".

In der ausverkauften Olympiahalle ist dieser Song, auf den sich in den vergangenen beiden Sommern Fußballprofis wie Sparkassen-Filialleiter einigen konnten, aber doch eher Beiwerk. Die gewohnt herausragende Live-Band setzt in ihrem fast dreistündigen Marathon-Set vor allem auf alte Hits wie "Hier kommt Alex" und "Wünsch dir was". Und Campino? Er wird uns alle überleben.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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