Kurzkritik:Das ganze Leben

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Die Hofkapelle München brilliert mit Händels "Messias"

Von Egbert Tholl, Salzburg

Es gab eine Zeit, da hätte man nicht unbedingt nach Salzburg fahren müssen, um dort im großen Saal des Mozarteums die Hofkapelle München zu hören. Diese Zeit, in der man in München einfach über die Straße gehen kann, um ein exzellentes Barockorchester zu erleben, die könnte auch wiederkommen, man müsste der Hofkapelle einfach den richtigen Ort zu vernünftigen Konditionen zur Verfügung stellen, etwa das Cuvilliéstheater. Das Dumme dabei ist, dass die Hofkapelle alte Musik als etwas sehr Lebendiges begreift, die bayerische Schlösserverwaltung indes viele der Räume in ihrer Obhut als etwas sehr Totes.

Wie wenig museal eine Aufführung von Händels "Messias" sein kann, musste man dann halt in Salzburg erleben. Ein Vorteil ist, dass man danach bezüglich der diversen Passionskonzerte in München spirituell aus der Pflicht genommen ist. In Salzburg jedenfalls feiert gerade die ortsansässige Bachgesellschaft die ersten 35 Jahre ihres Bestehens, das erste Konzert war am 17. April 1984, damals wie heute dirigierte Howard Arman, der den Anlass dazu nutzt, das Publikum selbst zu begrüßen und darauf hinzuweisen, dass er regelmäßig den "Messias" in Salzburg dirigiere, alle 35 Jahre halt.

Arman ist hinreichend verliebt in das Collegium Vocale der Salzburger Bachgesellschaft, um ihm zu einem bewundernswerten Glanz zu verhelfen. Nein, die glänzen schon von allein, aber wie Arman, selbst jedes Wort leise mitsingend, mit dem helltönenden Gesangsensemble die Worte von Prophezeiung, Passion und Erlösung durchdenkt und zu einem vielschichtigen Klingen bringt, ist ungeheuer aufregend. Der Chor muss dabei gar nicht alles überartikulieren, obwohl man ihn gut versteht, denn schließlich gibt es für die Klangrhetorik noch die Hofkapelle. Ist Arman vor allem mit dem Chor beschäftigt, leitet Rüdiger Lotter das Orchester als Konzertmeister als die Hälfte eines symbiotischen Dirigier-Duos.

Mit Olga Watts an Orgel und Cembalo und Günter Holzhausen am Bass (Violone) hat man das pulsierende Fundament, auf dem die Hofkapelle jede Phrase exakt ausloten kann in ihrer dynamischen Vielfalt. Von wegen, historische Instrumente bedeuteten keine Klangfülle. Alles ist Leben, überbordend. Herausragend unter den Solisten: Altus Markus Forster und die Sopranistin Katja Stuber. Deren Duett: ein Traum.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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