Kurzkritik:Bewegende Innerlichkeit

Lesezeit: 1 min

Der Trompeter Ambrose Akinmusire in der Unterfahrt

Von Claus Lochbihler, München

Was für ein Ton! Dunkel wattiert, in tiefen Lagen fast hornartig klingt Ambrose Akinmusire auf der Trompete. Und er hält diesen weichen, niemals schrillen Ton beim Konzert in der Unterfahrt auch bei den schnellsten, sich endlos verdichtenden Läufen und in den höchsten Tönen ein. Je höher, desto leiser und weicher, scheint eine seiner Devisen zu lauten.

Manch anderer hätte es sich mit einem solchen Ton bequem gemacht: Jazzstandards, bekannte Balladen, eine sanfte Retro-Pflege der großen Jazz- und Trompeten-Tradition. Nicht so Akinmusire. Der 36-jährige Kalifornier - Backenbart, Baseball-Cap und im Gesicht die wachen Augen eines freundlichen Schelms - improvisiert und musiziert mit seinem Quartett einen Jazz, der das Neue, das Unbekannte, das Unerforschte sucht. Über balladenartige Nummern, die oft stoisch dahinschreiten, findet Akinmusire zu einer bewegenden Innerlichkeit. Dann wandelt er in den weiten Räumen, die sein Pianist Sam Harris abstrakt hintupft, so sphärisch verloren durch die Harmonien, dass es an Miles Davis erinnert. Vor allem der Pianist verleiht der Musik des Quartetts einen Touch moderne Klassik meets Free. Wie eine Spinne ihr Netz webt er die Kompositionen in Harmonien ein. Manchmal führt er rhythmische Figuren endlos fort, spiegelt und beschattet die Trompete oder klinkt sich in Lines ein, von denen man nicht glauben würde, dass sie sich unisono spielen lassen.

So improvisieren kann nur ein Quartett, das über lange Jahre zusammengefunden hat. Mit Justin Brown, dem Schlagzeuger, zu dessen Solo Ambrose Akinmusire auf der Bühne kniet und mit dem Kopf wippt, spielt der Trompeter so lange zusammen, wie beide schon Jazz machen - seit über 20 Jahren. Mit Harris und Harish Raghavan am Bass seitdem die drei im Musikstudium aufeinandertrafen. Den Applaus des begeisterten Publikums nimmt das Quartett erschöpft, aber glücklich entgegen. Und mit einem Ausdruck, mit dem zuvor einige Zuhörer der Musik folgten: geschlossenen Augen.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: