Kurzkritik:Bestellt und abserviert

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"Das Abschiedsdinner" am Münchner Metropoltheater

Von Christiane Lutz, München

Wenn ein Baum nachwachsen soll, muss man die toten Äste abschneiden. Davon ist Pierre überzeugt. Nur, dass in seiner Metapher die toten Äste ausgelutschte Freundschaften sind, derer er sich entledigen will. "Das Abschiedsdinner" heißt das Stück des Autorenduos Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière, das der junge Regisseur Philipp Moschitz am Metropoltheater inszeniert hat. Pierre (Winfried Frey) und seine Frau Clotilde (Judith Toth) laden also den befreundeten Antoine ein, legen seine Lieblingsmusik auf, kramen alte Geschenke von ihm hervor und sind entschlossen, ihn nach diesem Abend nie wieder anzurufen. Schlussmachen, ohne dass er es bemerkt.

Delaporte und de la Patellière sind so etwas wie die weniger abgründige Version von Yasmina Reza, der Königin der Pärchen-Eskalation. "Das Abschiedsdinner" ist eine rasante Komödie, der Moschitz auch keinen unnötigen Bedeutungs-Ballast auflädt. Timing und Witz-Dosierung gelingen ihm sehr gut, was nicht zuletzt an seinen tollen Schauspielern Frey, Toth und Dieter Fischer als abzuschießender Antoine liegt. Sein klügster Regiekniff: Er lässt den Text in Dialekt sprechen, also auf bairisch. Unter anderen Umständen wäre das nicht weiter erwähnenswert, in diesem Fall aber macht das die französische Vorlage griffiger, ohne dabei heimattümelnd zu wirken.

Pierre und Clotilde tauchen also ein letztes Mal in Antoines selbstmitleidig-spirituelle Daseinsbewältigungsgeschichten ein. Antoine allerdings riecht den Braten, besser gesagt, das von Clotilde zubereitete Carpaccio, und ist höchst entrüstet ob des hinterhältigen Plans. Er schlägt daraufhin eine Therapie für sich und Pierre vor, um die Freundschaft doch noch zu retten: Klamotten tauschen, und sich in den anderen hinein versetzen.

Hier könnte der Abend ins Alberne kippen - das passiert glücklicherweise aber nicht. Dass Antoine und Pierre sich zusammenraufen und weiter befreundet bleiben wollen, ist allerdings leider nicht wirklich überraschend. Und doch bleiben am Ende ein paar Gedanken: Warum fällt es schwer, einzugestehen, wenn Freundschaften vorbei sind? Warum ziehen wir Heuchelei der Ehrlichkeit vor? Die Zuschauer sitzen zur Vorstellung passenderweise im Barbereich des Metropol. Steht also nicht jeder von ihnen längst insgeheim bei jemandem auf der Abschiedsdinnerliste?

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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