Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben. Diese dem Forscher Alexander von Humboldt zugeschriebene Erkenntnis schwingt mit, wenn Storm Large, die Sängerin der US-amerikanischen Band Pink Martini, in der Philharmonie betont, dass Fremdsprachen das Gehirn trainieren. Die elfköpfige Band um den Pianisten Thomas M. Lauderdale singt in mindestens acht Sprachen, was ihr auch einen differenzierteren Blick auf die verschiedenen Facetten einer mehrsprachigen Welt gestattet.
Das wird besonders auch dann deutlich, wenn Storm Large spontan über die popkulturelle Bedeutung eines Hits der türkischen Sängerin Belkıs Özener referiert, während sie auf einige türkisch-stämmigen Zuschauer wartet, die sie auf die Bühne gebeten hat. Dort singen und tanzen sie dann mit der großen blonden Sängerin auf "Aşkın Bahardı" vom neuen Album "Je dis oui!". Der Einfluss von Videoportalen auf die Songauswahl liegt nahe, wenn Lauderdale den albernen italienischen Tanzstil des in den Siebzigerjahren von Raffaella Carra besungenen "Tuca Tuca" vorführt. Dass dem Pianisten aber auch der Gastauftritt des US-amerikanischen Busenwunders Mamie van Doren im Freddy-Quinn-Film "Freddy und das Lied der Prärie" nicht entgangen ist, verrät seine Passion für ein Musikgenre, das Schlager-, Jazz- und Klassik-Anleihen zu einem bunten Easy-Listening-Strauß bindet. Eigenkompositionen der Band basieren da schon mal auf Motiven von Franz Schubert, die, mit afrikanischen Rhythmen angereichert, ein Gemisch aus Percy Mayfields "Hit The Road Jack" und Gloria Gaynors "I Will Survive" assoziieren.
Allen nationalistischen Szenarien zum Trotz betont die polyglotte Musik von Pink Martini die Möglichkeiten eines weltweiten Miteinanders. Dieses Miteinander beginnt in der Philharmonie auf und vor der Bühne mit wunderschönen, weil tanzenden Menschen, die die Band wahrlich nicht lange dazu bitten musste.