Kurzkritik:Bergblütenstaub

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Die osttiroler Sensationscombo "Franui" im Prinzregententheater

Von Egbert Tholl, München

Kaum spielen sie seit mittlerweile fast 25 Jahren zusammen, dürfen sie dies auch im Prinzregententheater tun. Das Konzert dort von Franui ist zwar nicht deren erstes in München, aber sozusagen das erste offizielle. In Berlin waren sie schon oft, beispielsweise. In München halt noch nicht. Das verblüfft, weil man eigentlich meinen sollte, das bayerische Gemüt ist dem osttirolerischen nicht so fern, und außerdem ist das hier doch eine Musikstadt, heißt es zumindest, und zur Bereicherung dieser Stadt braucht es unbedingt die beste Volkskunstmusiktrauermarschkapelle der Welt oder zumindest von Innervillgraten. Da kommen Franui her.

Dem Anlass entsprechend hat Andreas Schett seine Ansagen, seine schrulligen Geschichten zwischen den Stücken modifiziert. Er erzählt - sorgsam übertitelt - von sensationellen Wirtshausschlägereien und abenteuerlichen Wanderungen der Ahnherren der Musiker bis zu einer Geisterbahn im Wiener Prater und seine neun Kollegen und Kolleginnen (Harfe, Hackbrett, Zither - die Männer blasen zumeist) schauen sich derweil das Publikum an. Franui vereinen die unmittelbare Kommunikation von schönster Wirtshausmusik und allerfreundlichsten Beerdigungsweisen mit höchster Kunst, im vorliegenden Fall meist mit Schubert und Bartók. Das Schwerste wird hier federleicht, weil's nicht wie Kunst wirken darf, sondern wie ein Seelenzustandsausdruck.

"Tanz! (Franz)" heißen Konzert und die neueste CD der Kapelle, und das geht so: Die gestopfte Trompete trägt langsam eine anrührende Schubert-Melodie vor, die Geige fängt diese sanft auf, dann übernimmt das Saxophon die Klangerzählung, die Tuba fügt einen Rhythmus hinzu, worauf die Bassklarinette nicht mehr zögert. Dann ist es, als ließe jemand die Zügel los und alle zehn preschen nach vorne, aus Walzer wird Polka, das Hackbrett hämmert und der Horizont öffnet sich. Was Franui wissen: Viel Kunstmusik ist ohne Sediment der Volksmusik nicht denkbar, und die Weg in dieser sind kurz, vom Jüdischen zum Balkan, von Tirol bis Bayern. Und immer wieder diese Süße, diese zarte, zerbrechliche Süße, die spielerische leicht verweht wie ein Apfelblütenblatt auf einer Almwiese in 2300 Metern Höhe.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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