Kurzkritik:Ausbalanciert

Mark Turner mit dem Trio Fly in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

Mark Turner wird zuweilen mit John Coltrane verglichen. Musikalisch ist das eher unergiebig, zu verschieden sind die Personalstile der beiden Tenorsaxofonisten. Ähnlich allerdings ist die Unabdingbarkeit, mit der sich Turner seiner Musik widmet. Eitelkeiten sind ihm fremd. Er scheint eher auf der Bühne zu stehen und jedes Mal auf konzentrierte Weise erstaunt zu sein, was das Instrument unter seiner Leitung leisten kann.

Mit dem Ernst eines empathischen Forschers ergründet er Kontrapunktisches und Abstraktes, widmet sich Entwicklungslinien der Vergangenheit vom fernen Blues und Hardbop bis zur Auflösung klassischer harmonischer Klangzusammenhänge, unaufgeregt, in hohem Maße kontrolliert und neugierig zugleich. Turner verzichtet auf Effekte, lässt das Growlen und Honken mancher Kollegen und arbeitet dafür an der Feinjustierung seines Tons.

Insofern passt es gut, dass er bei seinem Trio Fly Partner hat, die sich in der Unterfahrt im Kern ebenso puristisch, aber enthusiastisch wie er der Grundlagenarbeit widmen. Der Bassist Larry Grenadier etwa hat sich längst vom linearen Spiel des Begleiters verabschiedet und stellt sich mit seit Jahren wachsender Variationsbreite einem Intellektuellen wie Turner gegenüber als adäquater musikalischer Gesprächspartner dar.

Der Drummer Jeff Ballard hingegen saugt aktuelle Rhythmen jenseits des Jazz-Firmaments ebenso auf, wie er die typische Formensprache der improvisierenden Moderne verinnerlicht hat. Er unterstützt Grenadiers Vitalität, spornt beide Partner an, sich gestalterisch aus der Deckung zu wagen. So gelingt es Fly als intensiv kommunizierender jazzender Nukleus ohne große Gesten grandios energische bis subtil ausbalancierte Musik zu schaffen. Faszinierend.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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