Eine einzige, großartige CD mit Heine-Vertonungen genügte, um auf den jungen Bariton Benjamin Appl, der in München studierte und heute in London lebt, nachhaltig aufmerksam zu machen. Umso größer die Erwartung und auch der Druck auf den 34-Jährigen, als er jetzt erstmals in München einen Liederabend gab - an der Seite des wunderbaren, legendären Lied-Pianisten Graham Johnson, der ihn 2016 bei einem Schubert-Rezital in der Wigmore Hall begleitete, das auf CD erschienen ist.
Im Studio 1 des Bayerischen Rundfunks sang Appl ebenfalls einen Block mit Schubert-Liedern, von denen das fünfte ("Drang in die Ferne") nach "Götter Griechenlands", "Wanderer" und "Nachtviolen" endlich mehr Fluss in die vorherrschende Getragenheit brachte und einmal mehr im exquisit auskomponierten Duettieren der Oberstimme des Klaviers mit dem Gesang zeigte, wie wunderbar der differenziert und musikalisch begleitende Pianist mit dem Sänger harmonierte. Appl begann mit Beethovens quasi durchkomponiertem Zyklus "An die ferne Geliebte" und war erfolgreich bestrebt, alles richtig zu machen: Kontrolliert und wohlüberlegt in jeder Phrase, dynamisch sehr facettenreich und mit einer untadeligen, absolut wortverständlichen Artikulation. Aber es fehlte die Freiheit des Ausdrucks, und vor Nervosität begann die schöne, schlanke Stimme in der Höhe etwas zu flattern und in der Tiefe an Substanz einzubüßen.
Das sollte sich mit Schumanns Lieder-kreis op. 24 und sechs berühmten Liedern Hugo Wolfs ändern. In den leidenschaftlichen Heine-Vertonungen ging Benjamin Appl endlich aus sich heraus, traute sich auch um der Expression willen die Kontrolle hintan zu stellen. Noch mehr Freiheit im besten Sinne gönnte er sich bei Hugo Wolf, etwa im humoristischen "Tambour", der ihm endlich ein Lächeln aufs Gesicht zauberte, in der kernigen "Fußreise" oder im ätherischen Ende von "An die Geliebte" ("Ich knie, ihrem Lichtgesang zu lauschen").