Kurzkritik:Aufstieg

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Udo Lindenberg in der Olympiahalle

Von Rita Argauer, München

Am Ende gibt es "Candy Jane", ausgedehnt auf eine zehnminütige Coney-Island-Freak-Show. Es ist ein erstes Finale der Udo-Lindenberg-Show in der ausverkauften Olympiahalle; und verbindet alles, was sich in den vorangegangenen zwei Stunden in kleinen Kapiteln zeigte: Pathosreicher Größenwahn und Kitsch, breitbeiniger Altmänner-Rock, aber auch queere Camp-Ästhetik.

Als eine Art Präambel beginnt der Abend mit neuen Songs. Das lakonische "Einer muss den Job ja machen", das trotzige "Mein Ding" und schließlich "Coole Socke" mit einem Kinderchor, quasi als performative Bestätigung seiner Selbst durch die jüngste Generation. Dann geht es mit "Cello" in die Vergangenheit. Und von da an begegnet man in dieser Show auch den verschiedenen Versionen des Udo Lindenberg über die Jahrzehnte hinweg: Udo als "Rock'n'Roller", Udo, der Friedensaktivist und schließlich das Kapitel "Udo und die Frauen". Letzteres ist ein bisschen heikel, wenn er Altmänner-träumend die jungen Tänzerinnen und Sängerinnen begrapscht. Das bekommt aber auch eine durchaus reflektierende Note, wenn er sich dazu von projizierten Frauenfiguren der Weltgeschichte (von Elisabeth I. über Marlene Dietrich zu Angela Merkel und Conchita Wurst) kritisch beäugen lässt.

Lindenberg ist lässig, unglaublich von sich selbst eingenommen und gleichzeitig humorvoll damit. Und so stolziert er zwischen ernstem Wehmut, Nostalgie-Lust und Gegenwartsbewusstsein über die Bühne. Nach gut zweieinhalb Stunden lässt er sich von einer Art fliegendem Käfig abholen. Die Bühnenhelfer tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Panik Ground Control", die Tänzerinnen stecken ihn in einen Astronauten-Anzug. So, ohne dass man sein Gesicht sieht, wirkt er plötzlich schmal, ja fast gebrechlich, wenn er zu seinem Flugkäfig geführt wird. Doch dann segelt er mit dem passendsten Bild des Abends von dannen: Udo Lindenberg, der erste deutsche Rocker als Major Tom; zu gleichen Teilen Reminiszenz an Peter Schillings Neue-deutsche-Welle-Version wie an Bowies "Space Oddity".

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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