Kurzkritik:Auf der Bremse

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Der junge Pianist Ingmar Lazar bei "Klassik vor Acht"

Von Andreas Pernpeintner, München

Kurzfristig ist der junge französische Pianist Ingmar Lazar für den erkrankten Vardan Mamikonian eingesprungen. Die Lesart, die er nun bei "Klassik vor Acht" im Herkulessaal von Beethovens Sonate op. 111 anbietet, ist erstaunlich. Geradezu lyrisch geht er den Kopfsatz an, parliert, wo andere die Wucht der Akkorde in Stein meißeln. Auch sobald der Satz Fahrt aufnimmt, bleibt Lazar beinahe sanft. Kein Zweifel, genau so will er das spielen, denn die Rubati, mit denen er die stringente Motorik immer wieder einbremst, sind natürlich kein Versehen. Auf diese Weise strebt Lazar nach einer auf Schönheit bedachten Tongebung. Die klingt in diesem Satz manchmal überraschend gut - und manchmal seltsam, wenn der Pianist an eigentlich entdeckenswerten Ereignissen freundlich vorbeispaziert.

Vor allem aber wird durch diese Herangehensweise der kompositorische Charakterunterschied zwischen dem Kopfsatz und der Arietta merklich geglättet. Die nämlich spielt Lazar zwar ruhig und klar, aber keineswegs selig verzückt, sondern rhythmisch markant und in den Außentrillern recht konkret. Überzeugende Momentaufnahmen ergeben sich dabei durchaus.

Die prägen auch die Interpretation von Maurice Ravels "Miroirs". Die "Barke auf dem Ozean" lässt Lazar über eine zauberhaft glitzernde Oberfläche gleiten. Manchmal aber konzentriert er sich zu sehr auf den Diskant - selbst dann, wenn Substanzielles eher im Zuständigkeitsbereich der linken Hand zu finden wäre. Dass die Melodik somit nicht immer zur Geltung kommt, ist mit ein Grund, weshalb die Darbietung des Ravel-Zyklus dramaturgisch noch ausbaufähig ist. Das virtuose Ende des "Morgenlieds der Narren" freilich meistert Ingmar Lazar so hervorragend, dass manche Zuhörer schon vor der Zeit den "Miroirs"-Abschluss erreicht wähnen. Technisch stupend beherrscht er auch Franz Liszts Mephisto-Walzer Nr. 1, wenngleich er sogar bei dieser prasselnden, feuerspuckenden Komposition die Flamme deutlich zurückdreht.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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