Kurzkritik:Andachtsmusik

Nils Petter Molvær und die "Nordic Voices"

Von Ralf Dombrowski, München

Für Stimmen ist die Allerheiligen Hofkirche ein problematischer Raum. Denn die unverputzten Ziegelwände sorgen dafür, dass es nahezu keine Reflexionen gibt. Der Klang ist trocken, schallabsorbiert. Ein Gesangsensemble jedoch braucht ein Minimum an Hall, damit die Stimmen in der Intonation und Kommunikation gut harmonieren können. Das war einer der Gründe, warum Nils Petter Molvær während des Konzerts "Still In Silence" zuweilen in Richtung Kirchenboden blies. Denn auch er musste die Stimmung der Trompete im Vergleich zu den drei Sängerinnen und drei Sängern der Nordic Voices anhand einer Resonanzfläche kontrollieren.

Ansonsten war er ein markanter, aber nicht omnipräsenter Teil des Programms, das spirituelle Musik aus acht Jahrhunderten von der mittelalterlichen "Olavsmusikken" über Arvo Pärt und Francis Poulenc bis Björn Bolstad Skjelbred einschließlich einer Komposition aus Molværs Feder vorstellte. Seine Improvisationen schmiegten sich dabei modal kommentierend an die Vorgaben an, getragen in der Phrasierung, langsam und dezent dem Meditations-Modus der Musik folgend. Die Nordic Voices gewöhnten sich schnell an die Besonderheiten des Ortes und interpretierten die zum Teil noch homophonen historischen Lieder aus einer Haltung der zärtlichen Näherung heraus, kontrastierten sie mit den ebenfalls nur sparsam mit harmonischen Gegensätzen agierenden Werken der zeitgenössischen Komponisten und spannten einen gut einstündigen Bogen, für dessen Auflösung sie sich gegen Ende des Programms im abgedunkelten Raum verteilten, um nur noch mit Ahnungen des Klangs zu arbeiten.

So entstand feine Musik an der Schwelle zum Advent, die im ehrfurchtsvoll ruhigen Konzertraum aus der Halllosigkeit heraus die Sphärik und Weite des Andächtigen entwickelte.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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