Kurzkritik:Am Venushügel

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Zwei Performances bei der Tanzwerkstatt Europa

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Lisbeth Gruwez, eine dieser starken Jan-Fabre-Frauen, hätte eigentlich Bob Dylan tanzen sollen. Sie wurde krank, die Vorstellung fiel aus. Also musste sich das Publikum der Tanzwerkstatt Europa am Wochenende mit zwei "jungen" Performances im Hoch X begnügen. Da ist erst mal die des Belgiers Jan Martens, eines netten Schlakses in Turnschuhen, der sich in seiner "Ode to the Attempt (a solo for myself)" 30 Minuten lang an seiner dramaturgischen Stoffsammlung als 14-Punkte-Programm bemerkenswert einfallslos abarbeitet. Rein bewegungstechnisch hat der ausgebildete Tänzer nicht mehr zu bieten als ein paar dürftig variierte Armschwünge. Mit der Umsetzung seines Versuchskatalogs aber sieht es kaum besser aus. Bei Punkt 9, "An attempt to be provocative (in a funny way)", fällt ihm tatsächlich nichts anderes ein, als seinen entblößten Pimmel wackeln zu lassen. Provokation? Lustig? Wo lebt der denn?

Wie sich die Mittel gleichen: Vorn der/ die Vortragende, dahinter groß die digitale Schautafel. Und wenn's um die Demonstration am lebenden Objekt geht, wird jemand aus dem Publikum angefragt. Nur dass es bei der Ungarin Zsuzsa Rósza Völgyi und ihrer gewitzten Performance "1.7", - der Titel bezieht sich auf die durchschnittliche europäische Geburtenrate in Prozenten - auch in puncto Selbstironie mehr zu lachen gibt. Es geht es dieser Frau um die alten, nach wie vor virulenten feministischen Fragen, wie sie die Frauen ihrer Familie am eigenen Leib erfahren haben: um den ideologisch von Kirche, Staat und Wissenschaft vereinnahmten weiblichen Körper und was frau davon verinnerlicht hat und wieder abzustreifen lernen muss.

Da steht sie nun, nackig, die imperfekte Zsuzsa mit ihrem unrasierten Venushügel und führt auf einem Schaubild adrette Schamhaarfrisürchen vor. Am Ende hoppelt sie in Kaninchenplüsch über die Bühne als putzige Allegorie einer animalischen Gebärmaschine. Das ist lustig. Und ändert wieder nix.

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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